Digitale Pflegeanwendungen (DiPA)

Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) als Erweiterung des digitalen Versorgungsangebotes in der GKV-Regelversorgung

Einführung

Das Digitale Versorgung und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) als das dritte1 Digitalisierungsgesetz soll einen weiteren Schritt der Sicherstellung der effizienten und qualitativ guten Versorgung der Versicherten im Gesundheitswesen und in der Pflege darstellen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann nur eine schrittweise Fortentwicklung dem großen Potential der Digitalisierung gerecht werden und muss als dynamischer Prozess verstanden werden.2 Gemeint ist damit vor allem, den Versicherten3, aber auch den Leistungserbringern, immer besseren und alltagstauglicheren Zugang zu digitalen Leistungsangeboten zu ermöglichen. Der Zugang soll durch einen flexiblen und sicheren Datenaustausch und gebündelte, verlässliche Informationen zum Ausdruck kommen und damit der Qualitätssicherung und Transparenz dienen.

Der neue Gesetzesentwurf sieht einige Erweiterungen in der Telemedizin, Telematikinfrastruktur und für die digitalen Anwendungen (DiGA) vor und plant die Einführung eines neuen Verfahrens zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen (DiPA). Dieser Beitrag zeigt auf, was unter dem Begriff der DiPA zu verstehen ist und welche kostenerstattungsrelevanten Anforderungen bereits geplant sind.

Digitale Pflegeanwendungen (DiPA)

Ähnlich, wie das DVG, schreibt das DVPMG eine Legaldefinition der digitalen Pflegeaufwendungen vor. Nach geplantem § 40a SGB XI sind unter der DiPA Anwendungen zu verstehen, die wesentlich auf digitalen Technologien beruhen, die von den Pflegebedürftigen oder in der Interaktion von Pflegebedürftigen, Angehörigen und zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtungen und die dem Ausgleich gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen oder der Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen dienen.

Darüber hinaus können die digitalen Pflegeanwendungen nach § 40a Abs. 3 SGB XI n.F. auch den Zwecken des § 33a SGB V entsprechen und somit dazu bestimmt sein,
bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen. Demnach geht der Gesetzgeber davon aus, dass modulare Applikationen angeboten werden, die kumulativ sowohl DiGA- als auch DiPA-Funktionalitäten aufweisen. Dabei wird klargestellt, dass DiGA-Leistungen vorrangig nach § 33a SGB V zu erstatten sind. Wird die DiPA weitere, nicht DiGA- oder DiPA-fähige Leistungsbestandteile enthalten, so sollen diese auf dem Selbstzahlerweg beschafft werden.

Die DiPA soll vorrangig ein app- oder webbasiertes Versorgungsangebot darstellen und wesentlich auf digitalen Technologien beruhen. Hardwarelösungen sind demnach von dem neuen Erstattungsanspruch nicht umfasst, ebenso wenig wie die Nutzung von Daten, die der Anwendung von Alltagsgegenständen des täglichen Lebens (z.B. Fitnessarmbändern) oder Hilfsmitteln zur Verfügung gestellt werden.4

Die pflegerische Anwendung soll schwerpunktmäßig sowohl von Pflegebedürftigen, aber auch von pflegenden Angehörigen eingesetzt werden. Somit muss die DiPA nicht versichertenzentriert sein, sondern kann auch die Angehörigen bei der Pflege des Versicherten unterstützen. Zudem sieht der Gesetzesentwurf nicht vor, dass DiPA ein Medizinprodukt darstellt. Somit kann sowohl ein ziemlich breiter Anwenderkreis als auch Herstellerkreis von der neuen Regelung profitieren.

Die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen

Die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen (DiPA-Verzeichnis) soll, ähnlich wie bei der DiGA über ein elektronisches Portal des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen. Die Anforderungen für die Aufnahme in das DiPA-Verzeichnis ähneln denjenigen der DiGA. So hat der Hersteller nachzuweisen, dass seine DiPA:

  • Anforderungen an die Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität erfüllt,
  • den Anforderungen an den Datenschutz entspricht und die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleistet und
  • einen pflegerischen Nutzen aufweist.

Als Qualitätskriterien sind in dem Gesetzesentwurf bereits die hinreichende fachliche Fundierung, die Barrierefreiheit, die Interoperabilität und die altersgerechte Nutzbarkeit der Anwendung genannt. Die Einzelheiten des Aufnahmeverfahrens sollen in einer Verordnung, ähnlich der DiGAV, festgelegt werden.

Das BfArM soll über die Aufnahme der Applikation – so wie bei der DiGA – innerhalb von 3 Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen entscheiden. Es soll dabei auch geprüft werden, welche pflegerische Unterstützungsleistung für die Versorgung der Versicherten mit der digitalen Pflegeanwendung erforderlich sind, um so den möglichen Blended-Care-Ansatz der digitalen Pflegeanwendungen ausreichend zu berücksichtigen. Sind pflegerische Unterstützungshandlungen bei der DiPA notwendig, so sollen innerhalb von 3 Monaten neue Abrechnungsziffern für diese Leistungen geschaffen werden. Der Anspruch umfasst dabei lediglich die spezifische Pflegehandlung im Zusammenhang mit dem Einsatz der digitalen Pflegeanwendung. Die von den Pflegekassen zu tragenden Kosten für die Durchführung pflegerischer Unterstützungshandlungen sollen zudem auf einen Betrag von 60 € pro Versicherten und Monat begrenzt sein (§ 39a Abs. 2 SGB XI n.F.).

Der Vergütungsbetrag für die DiPA soll innerhalb von drei Monaten nach ihrer Aufnahme in das DiPA-Verzeichnis mit dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen (GKV-SV) vereinbart werden, somit um rund 9 Monate schneller als das bei der DiGA der Fall ist. Dieser Betrag soll zudem rückwirkend, d.h. ab dem Zeitpunkt der Aufnahme in das Verzeichnis, gelten. Kommt keine Einigung zustande, so soll die Schiedsstelle nach § 134 SGB V über den Preis entscheiden. In der Gesetzesbegründung wird bereits betont, dass die Festlegung der Vergütungsbeträge auf Grundlage des nachgewiesenen pflegerischen Nutzens und der von dem Hersteller beizubringenden Angaben über Marktpreise der Anwendung erfolgt.5

Daneben kann die digitale Anwendung auch nach anderen, bestehenden Vorschriften (z.B. als Pflegehilfsmittel) erstattet werden, so dass keine Exklusivität der Listung in dem geplanten Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen herrscht.

Fazit

Das DVPMG sieht die Kostenerstattung von digitalen Produkten vor, ohne, dass diese Medizinprodukte darstellen müssen. Da der Nachweis der Sicherheit und Funktionstauglichkeit generell durch die Vorlage der formalen Rechtsmäßigkeit der CE-Kennzeichnung eines Medizinproduktes geführt werden kann, wird dieser Nachweis den Herstellern von medizinproduktrechtlichen digitalen Pflegeanwendungen leichter fallen. Denkbar ist allerdings ein entsprechender Nachweis durch die Umsetzung der Anforderungen der (nicht harmonisierten) IEC 82304, die für Health Software gelten, die sowohl Medizinprodukte als auch Nicht-Medizinprodukte darstellen können.

Insgesamt wird durch die neue Regelung ein größerer Herstellerkreis angesprochen, was dem Digitalisierungsfortschritt zugutekommen kann. Denn eine Vielzahl von pflegerischen Anwendungen weisen keine medizinproduktrechtlichen Funktionalitäten auf, tragen aber erheblich zu der Organisation und Bewältigung des pflegerischen Alltags bei. Die Hersteller solchen Anwendungen sollten sich bereits auf den Nachweis des pflegerischen Nutzens (Ausgleich gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen oder der Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit) konzentrieren, um nicht nur den Anforderungen für die Aufnahme in das DiPA-Verzeichnis zu entsprechen, aber auch für die Preisverhandlungen gut vorbereitet zu sein.

                   

1 Vorgänger: Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) – Referentenentwurf vom 16.05.2020, Inkrafttreten: 19.12.2019 und Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (PDSG) – Referentenentwurf vom 04.02.2020, Inkrafttreten: 20.10.2020.

2 RefE BMG zu DVPMG, v. 15.11.2020, S. 1.

3 Allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher, weiblicher, diverser Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter.

4 RefE BMG zu DVPMG, v. 15.11.2020, S. 108.

5 RefE BMG zu DVPMG, v. 15.11.2020, S. 109.

           

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 4-2020. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnierenund erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.