Neue Vorgaben zu Fernwärme und Fernkälte

12.10.2021 – Am 5. Oktober 2021 traten sowohl die neue „Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte“ (FFVAV) als auch Änderungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in Kraft. Durch die Neuerungen werden die Vorgaben der Verordnung zur Umsetzung der Vorgaben zu Fernwärme und Fernkälte der Energieeffizienz-Richtlinie II sowie der Erneuerbare-Energien-Richtlinie im nationalen Recht umgesetzt.

I. FFVAV

Die Regelungen der FFVAV finden auf alle Verträge und Kunden von Wärme- und Kälteversorgern Anwendung, ohne dass die Möglichkeit einer Abweichung besteht. Sie regelt die Pflichten bzgl. der Verbrauchserfassung, der Abrechnung und der Bereitstellung von Informationen.

Die Messeinrichtungen an der Übergabestation müssen die mess- und eichrechtlichen Vorschriften erfüllen und den tatsächlichen Verbrauch des Kunden präzise widerspiegeln. Die Fernablesbarkeit muss bei neu eingebauten Messeinrichtungen gegeben sein; bestehende Messeinrichtungen sind bis zum 31. Dezember 2026 entsprechend nachzurüsten. Die Messeinrichtungen müssen ferner Interoperabilität, Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten. Falls die Messeinrichtungen an ein Smart-Meter-Gateway angeschlossen sind, gelten die Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) hinsichtlich der technischen Vorgaben zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit sowie der Einrichtung und Abrechnung des Messstellenbetriebs. Ist bereits ein Smart-Meter-Gateway für den Messstellenbetrieb der Sparte Strom vorhanden, kann der Anschlussnehmer die Verbrauchserfassung der Fernwärme von einem Messstellenbetreiber, der ein Bündelangebot macht, durchführen lassen.

Die durch neue Messeinrichtungen eingesparten Kosten (z. B. durch entfallende Vor-Ort-Ablesung und spartenübergreifende Fernablesung) sind den Kunden transparent und offen darzulegen. Abrechnungs- bzw. Verbrauchsinformationen sind den Kunden ferner unentgeltlich und auf Wunsch in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die Abrechnung erfolgt mindestens einmal jährlich. Bei fernablesbaren Messeinrichtungen sind Abrechnungs- bzw. Verbrauchsinformationen mindestens zweimal jährlich bzw. auf Verlangen des Kunden mindestens vierteljährlich zu übermitteln. Ab dem 1. Januar 2022 sind Abrechnungs- bzw. Verbrauchsinformationen, sofern fernablesbare Messeinrichtungen installiert sind, mindestens monatlich zu übermitteln.

Die dem Kunden übermittelten Rechnungen müssen bestimmte, klar und verständlich formulierte Informationen enthalten. Dazu zählen unter anderem

  • Informationen zu den geltenden Preisen und dem tatsächlichen Verbrauch,
  • Informationen über den aktuellen und prozentualen Anteil der eingesetzten Energieträger und der eingesetzten Gewinnungstechnologie im Gesamtmix im Durchschnitt des letzten Jahres,
  • die mit dem Energiemix verbundenen jährlichen Treibhausgasemissionen (Für Kunden, die mit Fernwärme oder -kälte aus technisch zusammenhängenden Fernwärme- oder Fernkältesystemen mit einer thermischen Gesamtnennleistung unter 20 Megawatt versorgt werden, gilt diese Verpflichtung erst ab dem 1. Januar 2022),
  • die auf Wärme erhobenen Steuern, Abgaben oder Zölle,
  • ein Vergleich in grafischer Form des aktuellen witterungsbereinigten Verbrauchs des Kunden mit dessen witterungsbereinigtem Verbrauch des letzten Jahres,
  • Vergleiche mit dem Durchschnittskunden derselben Nutzerkategorie,
  • Kontaktinformationen von Verbraucherorganisationen, Energieagenturen oder ähnlichen Einrichtungen, bei denen Informationen (zu Energieeffizienzverbesserung, Kunden-Vergleichsprofilen und objektiven technischen Spezifikationen für energiebetriebene Geräte) eingeholt werden können,
  • Informationen über Beschwerdeverfahren im Zusammenhang mit der Messung und Abrechnung, über Dienste von Bürgerbeauftragten oder über alternative Streitbeilegungsverfahren, soweit anwendbar.

Darüber hinaus müssen Informationen über den Primärenergiefaktor und den Anteil der eingesetzten erneuerbaren Energien in den Abrechnungen und auf der Internetseite enthalten sein. Auf Anfrage des Kunden sind Informationen über die Abrechnungen und den historischen Verbrauch einem vom Kunden benannten Energiedienstleister bereitzustellen.

Die FFVAV beabsichtigt mit der Bereitstellung der Abrechnungs- bzw. Verbrauchsinformationen, die Informationslage für die Kunden über ihren tatsächlichen Energieverbrauch zu verbessern. Hierdurch sollen die Kunden für weitere Energieeinsparungen sensibilisiert werden, um einen Beitrag zur Erreichung des Energieeffizienzziels der Europäischen Union für das Jahr 2030 zu leisten.

II. Die Novellierung der AVBFernwärmeV

Auch die wesentlichen Änderungen der AVBFernwärmeV treten, wie vom Bundesrat beschlossen, in Kraft.

Neue Veröffentlichungspflichten, § 1a AVBFernwärmeV

Fernwärmeversorger sind künftig verpflichtet, die aktuelle Fassung der allgemeinen Versorgungsbedingungen einschließlich Preisregelungen, Preisanpassungsklauseln, Preiskomponenten und Verweise auf die Quellen der verwendeten Indizes und Preislisten in leicht zugänglicher und allgemein verständlicher Form im Internet zu veröffentlichen. Die Formeln und Berechnungen sind anhand von Musterberechnungen zu verdeutlichen. Darüber hinaus sind Informationen über Netzverluste als Differenz zwischen der Wärmenetzeinspeisung und der nutzbaren Wärmeabgabe in gleicher Form zu veröffentlichen. Anhand der Höhe der Netzverluste kann die Effizienz des Wärmenetzes beurteilt werden, da die Netzverluste weitgehend konstant sind. Durch die Veröffentlichungspflicht soll ein Anreiz zur Effizienzsteigerung gesetzt werden.

Die vorgenannten Maßgaben zielen darauf ab, zum einen die Wärmepreise transparenter, verständlicher und nachvollziehbarer zu kommunizieren und zum anderen die nicht mehr zeitgemäße Veröffentlichung in Tageszeitungen oder per Aushang zu modernisieren. Kleinere kommunale Versorger können die Informationen über die Internetseite der Kommune oder auf einer gemeinsamen Internetseite mit anderen Versorgern veröffentlichen.

Leistungsanpassungsrecht des Kunden, § 3 AVBFernwärmeV

Weitreichende Folgen für die Wärmeversorger wird das Leistungsanpassungsrecht des Kunden haben. Künftig können Kunden einmal jährlich mit einer Frist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats die vertraglich vereinbarte Wärmeleistung anpassen. Begehrt der Kunde eine Reduktion der Wärmeleistung um 50 % oder weniger, muss er weder eine Begründung noch einen Nachweis beibringen. Begehrt der Kunde eine Reduktion um mehr als 50 % oder die Kündigung des Vertrages, muss er nachweisen, dass die Leistung durch Einsatz von erneuerbaren Energien ersetzt wird.

Das einseitige Anpassungsrecht hat erhebliche Auswirkungen auf die Preiskalkulation und Preismodelle des Fernwärmeversorgungsunternehmen, da sich hierdurch die Erlöse, nicht aber die Fixkosten reduzieren. Entsprechende Risiken sind abzubilden.

Neue Messanforderungen, § 18 AVBFernwärmeV

Hinsichtlich der Anforderungen an die Messung der Wärme verweist § 18 AVBFernwärmeV nun auf § 3 FFVAV. Das Ersatzverfahren gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 ff. AVBFernwärmeV ist hingegen weiterhin möglich. Dabei basiert die Messung der Altfälle in der Regel auf der Messung der Wassermenge bzw. bei Dampf des Kondensats. Weiterhin möglich sind zudem Mieterdirektverträge, da dem Einsatz von Heizkostenverteilern bei der Lieferung der Wärme an einen Hausanschluss (und bei dortiger Messung) nichts entgegensteht.

Änderung von Preisänderungsregelungen, § 24 AVBFernwärmeV

Änderungen sieht die AVBFernwärmeV auch für Preisänderungsregelungen vor. Künftig dürfen sie nicht mehr durch öffentliche Bekanntmachung einseitig geändert werden. Die Neuregelung hat zur Folge, dass Wärmeversorger ihre Preisänderungsklausel nicht mehr auf geänderte Rahmenbedingungen, z. B. die Umstellung der Wärmeerzeugung von Kohle auf Erdgas, anpassen können. Die häufig lang laufenden Verträge von Fernwärmeversorgungsunternehmen und die in dieser Zeit eventuell erforderliche Anpassung der Preisänderungsklausel – insbesondere im Rahmen der Energiewende – bleiben unberücksichtigt. Auf dieser Grundlage können Anpassungen von Preisänderungsklauseln nur noch im Rahmen eines Änderungsvertrages oder einer Änderungskündigung durchgeführt werden. Dies ist im Massenkundenverkehr allerdings aufwendig und wenig praktikabel.

Die Implikationen werden auf rechtlicher, kalkulatorischer, organisatorischer und strategischer Ebene spürbar sein. Das Fehlen von Übergangsfristen macht ein zügiges Handeln unumgänglich. Anpassungsbedarf besteht sowohl im IT-Bereich als auch im Vertragswerk und der Abrechnungsdurchführung.

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