(Stufenweise) Rückkehr aus der Kurzarbeit in den Normalbetrieb

24.08.2020 – Die Dauer der Kurzarbeit richtet sich grundsätzlich nach der zugrunde liegenden Vereinbarung für die Einführung von Kurzarbeit (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag oder individuelle Vereinbarung mit den Arbeitnehmern).

Die Kurzarbeit endet grundsätzlich von allein nach Ablauf der vereinbarten Zeit oder bei Entfall der Voraussetzungen für die Kurzarbeit. Bei der Beendigung und Reduzierung von Kurzarbeit sind in jedem Fall die konkreten Regelungen der jeweiligen Vereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit zu beachten (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung etc.).

Der Arbeitgeber kann seine Mitarbeiter dazu verpflichten, die Beschäftigung vollständig oder teilweise wiederaufzunehmen, sofern er auch aufgrund arbeitsvertraglicher oder tarifvertraglicher Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertraglicher Vereinbarungen einseitig berechtigt war, die Kurzarbeit anzuordnen.

Enthalten die Regelungen Besonderheiten wie etwa

  • Ankündigungsfristen,
  • Zustimmungserfordernisse oder
  • andere Regelungen, insbesondere in kollektiv-rechtlichen Regelungen,

sind diese zu beachten.

Nach unserer Erfahrung hat der Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Für die Wiederaufnahme der Arbeit wird daher sorgfältig darauf zu achten sein, dass etwa die Ankündigungsfristen zur Wiederaufnahme der Arbeit eingehalten werden. Auch sollten alle Anweisungen etc. sorgfältig mit allen notwendigen Formalien dokumentiert sein.

Grundsätzlich gilt auch bei der Kurzarbeit in der Corona-Krise der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Arbeitgeber darf den Umfang, die Dauer sowie die Anordnung von Kurzarbeit nicht willkürlich gegenüber miteinander vergleichbaren Mitarbeitern anordnen. Eine Sonderbehandlung einzelner Mitarbeiter ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn sachliche Gründe wie beispielsweise notwendige Fachkenntnisse eines Mitarbeiters vorliegen.

Sachfremde Erwägungen rechtfertigen eine Ungleichbehandlung nicht. Sie bergen zudem das Risiko, dass benachteiligte Arbeitnehmer, die nicht in gleichem Maße die Kurzarbeit beenden, Ansprüche auf Nachteilsausgleich geltend machen. In jedem Fall sollten Arbeitgeber versuchen, vorliegende sachliche Gründe ausreichend zu dokumentieren.

Voraussetzungen für den Bezug von KUG

Was muss sichergestellt sein, um die Voraussetzungen für den Bezug von KUG für diejenigen nicht zu gefährden, die noch in Kurzarbeit bleiben müssen  (wenn andere Mitarbeiter im Betrieb schon wieder mit voller Stundenzeit arbeiten)?

Nach den Sonderregelungen in der derzeitigen Corona-Krise besteht der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nur, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben.

Wenn etwa bei einem Arbeitnehmer weniger als zehn Prozent Arbeitsausfall anfallen, kann es trotzdem bei Kurzarbeit bleiben. Voraussetzung ist u. a., dass die genannte Mindestgrenze erreicht ist. Dann können auch Beschäftigte mit einem Arbeitsausfall von weniger als zehn Prozent Kurzarbeitergeld beziehen.

Verbessert sich die wirtschaftliche Situation, können z. B. einzelne Betriebsteile/Betriebsabteilungen wieder zu 100 Prozent arbeiten, wohingegen bei anderen Betriebsteilen/Betriebsabteilungen weiterhin Kurzarbeit durchgeführt werden kann. Dabei müssen die Beschäftigten in einem Unternehmen ihre Arbeitszeit nicht um jeweils den gleichen Prozentsatz reduzieren.

Bei Reduzierung der Kurzarbeit ist keine neue Anzeige gegenüber der Arbeitsagentur nötig.

Die Änderungen werden der Arbeitsagentur durch die Angaben im Leistungsantrag für den jeweiligen Abrechnungsmonat mitgeteilt. Unsere Empfehlung ist, bei der Stellung des Leistungsantrages auch gesondert darauf hinzuweisen, für welche Mitarbeiter die Arbeitszeit wieder erhöht wurde.

Unterbrechungen von mindestens einem Monat können die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld verlängern. Unterbrechungen von drei Monaten erfordern eine neue Anzeige gegenüber der Arbeitsagentur. Eine gesonderte Mitteilung gegenüber der Arbeitsagentur ist nur bei vorzeitiger vollständiger Beendigung der Kurzarbeit notwendig.

Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzstandards

Welche Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzstandards müssen Arbeitgeber bei der Wiederaufnahme des Betriebs sicherstellen (Stichwort: Gefährdungsanalyse von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen; Einbindung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit etc.)?

Um eine geregelte Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber aufgrund der auch bereits bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Ferner hat er diese auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Die Überprüfung rückt in Zeiten der aktuellen Pandemielage, in der der Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten vor einer Ansteckung mit COVID-19 höchste Priorität haben, in den Vordergrund.

  • Gefährdungsbeurteilung

Insoweit ist vor Wiederaufnahme des Betriebs eine aktualisierte Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen erforderlich, und zwar unter Berücksichtigung der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Ansteckungswegen mit COVID-19. Die Gefährdungsbeurteilung dient der Feststellung, ob von der Arbeit Gefahren ausgehen. Je genauer die Gefährdungen im Betrieb anhand der jeweiligen Gefahrenquelle ermittelt werden, desto zielgerichteter können entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Der Arbeitgeber sollte bei dieser Beurteilung eine Fachkraft für Arbeitssicherheit und ggf. den Betriebsarzt einbinden. Hilfreiche Beiträge können ferner die jeweiligen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Berufsgenossenschaften bzw. Unfallkassen leisten.

Soweit Arbeitsschutzausschüsse im Betrieb vorhanden sind, koordinieren sie die Umsetzung der zusätzlichen Infektionsschutzmaßnahmen und unterstützen den Arbeitgeber bei der Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen.

Sollte kein Arbeitsschutzausschuss im Betrieb gebildet worden sein, kann der Arbeitgeber auch selbst einen sog. Krisenstab unter seiner Leitung einrichten.

  • Einheitliche Arbeitsschutzstandardregeln zu COVID-19

Klar ist, dass die Arbeitssicherheitsstandards und Arbeitsschutzstandards individuell für jede Branche und gezielt für jeden Betrieb betrachtet werden müssen. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat flankierend zu den ohnehin bestehenden Regelungen einheitliche Arbeitsschutzstandardregeln („SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“) auf seiner Homepage veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um die Definition von Mindeststandards, wobei danach „zwei klare Grundsätze gelten“, nämlich die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 Metern sowie das Verbot des Aufenthalts von Personen mit nicht abgeklärten Atemwegssymptomen auf dem Betriebsgelände. Zu deren Umsetzung ist der Arbeitgeber verpflichtet.

  • Zusätzliche Maßnahmen

Grundsätzlich ist die flächendeckende Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 Metern durch geeignete Maßnahmen seitens des Arbeitgebers zu gewährleisten. Es stellt sich natürlich die Frage, welche Bereiche im Betrieb als kritisch anzusehen sind. In dem Zusammenhang ist eine denkbare Maßnahme der Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber der Einsatz von bereits bestehenden Überwachungskameras, um Bereiche zu identifizieren, wo der geforderte Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann. Sollte sich hier dann Handlungsbedarf zeigen, kann der Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen (z. B. Markierungen, Absperrungen, Umgestaltung von Schicht- und Personaleinsatzplänen) für Abhilfe sorgen.

Zu bedenken ist aber, dass der Betriebsrat u. a. auch bei der betrieblichen Regelung über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen hat. Da die Betriebsratsgremien durch ihre Tätigkeit naturgemäß Einblicke in die jeweiligen Arbeitsplätze haben, empfiehlt sich eine frühzeitige Einbindung. Auch muss der Umfang der Nutzung der Überwachungskameras sowie die Verarbeitung des gewonnenen Bildmaterials vom Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung gedeckt sein. Andernfalls droht die Gefahr einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Ergebnis, dass die getroffenen Maßnahmen vom Arbeitgeber  zu unterlassen sind.

Parallel muss der Arbeitgeber bei den zu ergreifenden Maßnahmen auch erwägen, ob Beschäftigte längerfristig im Homeoffice tätig sein können. Aber auch im Homeoffice endet seine Verantwortung für die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften nicht. Insoweit ist es sinnvoll, wenn sich der Arbeitgeber unter engen Voraussetzungen ein Zutrittsrecht zur Wohnung zur Erfüllung seiner Verpflichtung ausdrücklich vorbehält.

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, ausreichend Desinfektionsspender und Waschgelegenheiten bereitzustellen. Für den Fall, dass sich Beschäftigte einen Arbeitsplatz teilen müssen, empfiehlt es sich besonders, die Desinfektion des Arbeitsplatzes vor Arbeitsbeginn zu ermöglichen.

  • Einsatzmöglichkeiten von Beschäftigten der Risikogruppen

Soweit Beschäftigte zur sog. Risikogruppe gehören, kann der Arbeitgeber den Betriebsarzt mit einbeziehen, um etwaige Einsatzmöglichkeiten abzuklären. Auch kann der Arbeitgeber – sofern er über die nötigen Informationen verfügt – aktiv auf solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugehen, die erkennbar zu einer Risikogruppe gehören, und ihnen weiterhin die Arbeit im Homeoffice ermöglichen.

Sollte dies nicht möglich sein, muss die Frage der Einsetzbarkeit mit dem jeweiligen Betriebsarzt oder Hausarzt abgeklärt werden. Jedenfalls sollte sich der Arbeitgeber ein entsprechendes Attest vorlegen lassen, ausweislich dessen der Einsatz der zur Risikogruppe gehörenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbedenklich ist.

Personen mit nicht abgeklärten Atemwegssymptomen dürfen sich generell nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten. Abgeklärte Atemwegssymptome können z. B. ärztlich attestierte anderweitige Erkältungen, Asthma oder Allergien sein. Kommt es zu einem Verdachtsfall im Betrieb, hat der Betroffene das Betriebsgelände umgehend zu verlassen.

Bestätigt sich der Verdacht einer COVID-19-Infektion, muss der Arbeitgeber reagieren und zur Aufklärung der Infektionsketten beitragen können. Insoweit muss der Arbeitgeber die Anwesenheiten und die Kontaktpersonen im Betrieb nachvollziehbar dokumentieren (sog. betrieblicher Pandemieplan), um diese schnell identifizieren und darüber informieren zu können, dass ein Infektionsrisiko besteht.

  • Zentrale Anlaufstelle

Bewährt hat sich aus unserer Erfahrung in dem Zusammenhang die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle und Benennung eines Ansprechpartners oder Teams (sog. Krisenstab) für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Erreichbarkeit kann auch nur durch die Einrichtung einer zentralen E-Mail-Adresse gewährleistet werden. Ferner sollte der Arbeitgeber für eine umfassende Information der Belegschaft über die eingeleiteten Präventions- und Infektionsschutzmaßnahmen sorgen.

Hierzu gehören die Erklärung von Schutzmaßnahmen, die Unterweisung von Führungskräften, die Anbringung von Hinweisschildern und Aushängen, der Hinweis auf die auch schon vor der Corona-Pandemie gültige „Fahrstuhl-, Husten- und Niesetikette“ sowie die regelmäßige Handhygiene. Die Einhaltung dieser Regelungen kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts anweisen.

Aufgrund der dynamischen Entwicklung der Pandemielage ist damit zu rechnen, dass der derzeit gültige SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Bedarfsfall erneut angepasst wird. Damit Arbeitgeber gut beraten sind, sollten sie fortlaufend und zeitnah die Aktualität und damit die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen überprüfen.

Welche Rechte hat ein Betriebsrat bei der Wiederaufnahme der betrieblichen Aktivitäten?

Bei vorzeitiger Beendigung von Kurzarbeit hat der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur in Ausnahmefällen ein Mitbestimmungsrecht. Dies gilt beispielsweise, wenn genaue Zeiträume für die Kurzarbeit vereinbart wurden.

Ansonsten gelten die üblichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, die auch in Corona-Zeiten in jeglicher Hinsicht zu beachten sind.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gilt auch in Eilfällen. Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, auch bei Eilbedürftigkeit der Maßnahme den Betriebsrat zu beteiligen. Auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Corona-Pandemie, bei der es sich um eine außergewöhnliche Situation handelt, ist nach der Rechtsprechung der Arbeitgeber daher gehalten, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu wahren. Eine Ausnahme soll nur in ganz besonderen Notfällen vorliegen, die sich nicht allein in der Corona-Gefahrenlage erschöpft.

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Dieser Beitrag ist Teil des Expertpapers "Covid 19: Arbeitsrechtliche Handlungsoptionen".