Neue Regelungen zu Gewerbemieten – konkrete Folgen bei eingeschränkter Nutzbarkeit des Mietgegenstandes bleiben einzelfallabhängig

17.02.2021 – Seit Beginn der COVID-19-Pandemie ist umstritten, wer das Risiko von staatlich angeordneten Nutzungsbeschränkungen des Mietgegenstandes trägt bzw. ob die Mietzahlungspflicht trotz eingeschränkter oder aufgehobener Nutzungsmöglichkeit des Mietgegenstandes vollständig bestehen bleibt (sog. Verwendungsrisiko).

Für die Monate April bis Juni 2020 hatte der Gesetzgeber bereits ein sog. Kündigungsmoratorium angeordnet, nach dem der Vermieter wegen eines Zahlungsverzuges in diesem Zeitraum nicht kündigen kann. Im Kündigungsmoratorium waren keine ausdrücklichen Regelungen dazu enthalten, ob der Mieter gegen die Mietzahlungspflicht Einwendungen (Mietminderung wg. Mangel, Störung der Geschäftsgrundlage, Unmöglichkeit) erheben, also im Ergebnis die Miete anpassen kann.

In der Rechtsprechung – eine klärende Entscheidung des BGH zu Mietanpassungen auf Grund der COVID-19-Pandemie steht noch aus – ist dies hoch umstritten.  In der Rechtsprechung der Instanzgerichte zu Fällen des ersten Lockdowns wurde allerdings häufig angenommen, dass die Mietzahlungspflicht des Mieters bei staatlich angeordneten Beschränkungen voll bestehen bleibt. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass der Mieter das Verwendungsrisiko trage und das zeitweise Kündigungsschutzrecht aus dem Kündigungsmoratorium als abschließende Regelung die allgemeinen und mietrechtlichen Leistungsstörungsregelungen ausschließe.

Dem ist der Gesetzgeber nun entgegengetreten: Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/25322, S. 14 f.) hält der Gesetzgeber eine Regelung für erforderlich, um klarzustellen, dass § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) grundsätzlich Anwendung findet bei staatlich angeordneten Beschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie. Die Regelung soll an die Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien appellieren. Gleichzeitig wird in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass allgemeine und mietrechtliche Leistungsstörungsregeln anwendbar sind und zudem § 313 BGB vorgehen.

Gesetzgeber regelt Vermutung für Änderung wesentlicher Umstände

Am 01.01.2021 ist Art. 240 EGBGB § 7 (Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen) in Kraft getreten, wonach gilt:

Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Regelung ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/25322, S. 20) muss die Verwendbarkeit aufgehoben oder jedenfalls erheblich eingeschränkt sein. Als typisches Beispiel für die Aufhebung sieht der Gesetzgeber die Schließungsverfügung, als typisches Beispiel für eine erhebliche Einschränkung etwa staatliche Vorgaben nur noch einen bestimmten Teil der Ladenfläche für Publikumsverkehr zu nutzen oder die Anzahl der Kunden auf einer bestimmten Fläche zu beschränken. Die Vermutung ist widerleglich, z.B. in den Fällen, in denen der Mietvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem die pandemieartige Ausbreitung der COVID-19-Pandemie in der breiten Öffentlichkeit bereits absehbar war.

Ausdrücklich nicht erfasst von der Vermutungsregelung und daher (immer noch) vom Mieter darzulegen und zu beweisen ist insbesondere auch das sog. normative Element des § 313 BGB, wonach dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/25322, S. 20) sollen allerdings Belastungen infolge staatlicher Maßnahmen zur COVID-19-Pandemie ohne entsprechende vertragliche Regelung vom Ausgangspunkt her weder dem Vermieter noch dem Mieter zugewiesen sein. Für die Zumutbarkeit seien (weiterhin) die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Zu berücksichtigen sei etwa der Rückgang des Umsatzes, ob der Mieter kompensierende öffentliche Zuschüsse erhalten habe oder sonstige Aufwendungen erspart habe (Anmeldung von Kurzarbeit, Wegfall Wareneinkauf etc.).

Flankierende Prozessregeln

Zusätzlich wurde in § 44 EGZPO ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot statuiert, wonach Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie vorrangig und beschleunigt zu behandeln sind. In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Kritik, Fazit und Ausblick

Die Mietrechtsänderung überlässt die wesentlichen Fragen weiterhin den Gerichten und den Parteien, da insbesondere für die nicht von der Vermutungsregelung umfasste Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag weiterhin eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist, bei der die konkreten wirtschaftlichen Folgen für die Parteien entscheidend sind. Zudem wurde vom Gesetzgeber die genaue Rechtsfolge der gestörten Geschäftsgrundlage offengelassen. Ob und wie also die Anpassung des Vertrages genau vorgenommen werden soll (z .B. durch Mietminderung oder Stundung) bleibt einzelfallabhängig und ebenfalls den Gerichten und Parteien überlassen.

Bei Neuabschlüssen von Mietverträgen sollten die Vertragsparteien künftig klare Regelungen zur Risikoverteilung hinsichtlich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie treffen, da es dem Mieter sonst verwehrt sein könnte, sich auf die hier besprochene Vermutungsregelung zu berufen. Über die COVID-19-Pandemie hinaus sollte auch für alle künftigen Pandemien eine „Pandemieklausel“ vereinbart werden, die das Verwendungsrisiko in derartigen Fällen höherer Gewalt eindeutig regelt.

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