EBA/GL/2020/06 – Leitlinien für die Kreditvergabe und überwachung

16.09.2020 – Die von der EBA am 29. Mai 2020 herausgegebenen Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung sollen einer der Eckpfeiler der Bankenstabilität in der EU werden. Das oberste Ziel ist die Bekämpfung der hohen Anzahl notleidender Kredite. Ein Thema, das vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen durch COVID-19 zusätzlich an Relevanz gewinnt.

Ebendiese Herausforderungen hatten bereits Auswirkungen auf den Umsetzungszeitpunkt der Leitlinien. Ursprünglich war eine Umsetzung zum 30. Juni 2020 geplant, im Hinblick auf die Krise wurde der Termin jedoch auf den 30. Juni 2021 verschoben. Ab dem 30. Juni 2021 betreffen die neuen Regelungen jedoch zunächst nur das Neugeschäft. Das Bestandsgeschäft (sofern es zu Neuverhandlungen oder Vertragsänderungen kommt) unterliegt den Regelungen der Leitlinien erst ein Jahr später, ab dem 30. Juni 2022. Für die Umsetzung der Vorgaben zu den Datenanforderungen, dem Überwachungsrahmen sowie der internen Infrastruktur haben die Institute eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2024 eingeräumt bekommen.

Zunächst gelten die Leitlinien unmittelbar für die Institute, die von der EZB beaufsichtigt werden. Für die Anwendung bei allen anderen Instituten wird eine Aufnahme der Regelungen in die MaRisk erwartet. Bislang ist jedoch unklar, ob und in welcher Form die sehr detailreichen Vorgaben in der nächsten MaRisk-Novelle, die für Anfang 2021 angekündigt wurde, Berücksichtigung finden werden.

Die hohe Regelungsdichte der Leitlinien soll zu einer europaweiten Angleichung der Prozesse im Kreditgeschäft führen und dabei, wie einleitend erwähnt, zur Verringerung der Anzahl notleidender Kredite in der EU und damit indirekt zu einer Verbesserung der Asset Quality bei den einzelnen Instituten führen.

Dafür werden in den Leitlinien verschiedene Maßnahmen aufgeführt. Die Institute sollen bei der Kreditvergabe robuste und konservative Standards einführen, um eine ordnungsgemäße Kreditvergabe zu gewährleisten und damit das Risiko für Kreditausfälle zu reduzieren. Hierbei wird insbesondere die Risikokultur in den Fokus gerückt. Zu einer ordnungsgemäßen Kreditvergabe gehört jedoch auch, dass Verbraucherschutzvorschriften streng eingehalten werden und Maßnahmen zur Geldwäscheprävention Berücksichtigung finden. Sofern ein Institut im Rahmen der Kreditvergabe technologiegestützte Modelle (z. B. automatische Bonitätsbeurteilung) einsetzt, muss laut EBA insbesondere sichergestellt sein, dass die Bank über ein angemessenes Modellverständnis verfügt und eine regelmäßige Validierung des Modells vornimmt.

Nicht zuletzt sollen die Institute auch Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Kreditvergabe berücksichtigen, die sogenannten ESG-Faktoren (Abkürzung für: Environmental, Social, Governance). Dies setzt nicht nur voraus, dass jedes Institut für sich in der Geschäfts- und Risikostrategie definiert, in welchem Umfang nachhaltigkeitsbezogene Risiken eingegangen werden, sondern erfordert auch die Analyse von Klima- und Umweltrisiken auf Kreditnehmerebene. Diese Aussagen stehen in Einklang mit dem Ende letzten Jahres veröffentlichten BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken oder auch dem Entwurf des EZB-Leitfadens zu Klima- und Umweltrisiken.

Die EBA-Leitlinien gehen zudem auf die Preisgestaltung bei Krediten ein. Institute haben demnach einen risikobasierten Preisrahmen zu entwickeln, der eine Preisgestaltung in Abhängigkeit von Marktbedingungen, Produktart, Kreditnehmerart sowie Bonität und ggf. Risikoprofil des Kreditnehmers gewährleisten soll. Dabei sollen alle Kosten berücksichtigt werden, die bis zum Fälligkeits- bzw. Anpassungstermin voraussichtlich anfallen werden.

Des Weiteren enthalten die Leitlinien einen Abschnitt über die Bewertung von Kreditsicherheiten, unterteilt in Immobilien und bewegliche Vermögenswerte. Hierbei sind vor allem die Anforderungen in Bezug auf den Einsatz externer Sachverständiger hervorzuheben. Beispielsweise sind neben einer angemessenen Plausibilisierung und Verwertung der Ergebnisse des Sachverständigen dessen ausreichende Qualifikation, Unabhängigkeit sowie regelmäßige Rotation sicherzustellen.

Für die Kreditweiterbearbeitung machen die Leitlinien ebenfalls umfangreiche Vorgaben, besonders in Bezug auf die Ausgestaltung des Überwachungssystems. Das Kreditrisiko, die einzelnen Kreditengagements sowie der Kreditnehmer selbst sollen über die gesamte Laufzeit stetig überwacht werden, was eine angemessene Dateninfrastruktur voraussetzt. Dies ist vor dem Hintergrund der bestehenden Regelungen der MaRisk zwar nicht neu, jedoch könnten Anpassungen der Prozesse und IT-Systeme aufgrund des hohen Detaillierungsgrads der Leitlinien erforderlich sein.

Abschließend geben die Anhänge zu den Leitlinien einen Überblick über konkrete Kriterien, Dokumentationsanforderungen und Parameter, die bei der Entwicklung der internen Kreditvergabekriterien, der Kreditwürdigkeitsprüfung sowie der Überwachung zu beachten sind.

Auch wenn ein Teil der Anforderungen der EBA-Leitlinien in der bisherigen Praxis bereits bei vielen Instituten umgesetzt wird und außerdem die Umsetzung in nationale Vorgaben noch aussteht, so sollten sich Banken frühzeitig mit den neuen Leitlinien auseinandersetzen, um bestehende Lücken angemessen zu adressieren. Schließlich gehen die neuen Vorgaben über den Kreditvergabeprozess im engeren Sinne hinaus und decken auch Themen wie ESG-Faktoren, Geldwäscheprävention und den Einsatz von Technologie mit ab.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

* mandatory fields

Ich stimme zu, dass meine Angaben zur Kontaktaufnahme und für die Zuordnung für eventuelle Rückfragen gespeichert werden. Ich habe die Erklärung zum Datenschutz gelesen und akzeptiere diese.