Länge der Kurzarbeit und Zeitpunkt betriebsbedingter Kündigungen

24.08.2020 – Wie lange kann ich Kurzarbeit durchhalten und wann müssen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden?
  • Szenario-Überlegungen: Kosten bei Weiterführung von Kurzarbeit vs. Kosten eines (teilweisen) Personalabbaus
  • Was ist alles bei der Planung eines (teilweisen) Personalabbaus zu bedenken?

Anders als landläufig oftmals behauptet, schließen sich die Anordnung von Kurzarbeit und der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nicht grundsätzlich aus. Allerdings ist der Ausspruch einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung rechtlich anspruchsvoll.

Der Arbeitgeber hat (in der aktuellen Situation) zu entscheiden, wie lange die Weiterführung der Kurzarbeit – insbesondere im Hinblick auf die mit dieser einhergehenden finanziellen Belastung und auf die zukünftige Unternehmensentwicklung – für ihn tragbar ist und zu welchem Zeitpunkt der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen unausweichlich ist.

Es ist ausdrücklich zu beachten, dass die entstehenden Kosten überwiegend von individuellen Faktoren abhängen und daher keine allgemeingültige Aussage dahingehend getroffen werden kann, ob die Weiterführung der angeordneten Kurzarbeit oder der (teilweise) Personalabbau für den Arbeitgeber kostengünstiger ist.

Stellt man die Kostenweiterführung der angeordneten Kurzarbeit und die des (teilweisen) Personalabbaus abstrakt gegenüber, lässt sich die Aussage treffen, dass die Kosten des (teilweisen) Personalabbaus zunächst zu höheren Kosten führt, die sich in der Zukunft jedoch amortisieren können.

Zusätzlich sind vom Arbeitgeber solche „Kosten“ einzukalkulieren, die aufgrund der durchgeführten Maßnahme innerhalb des Kreises der Arbeitnehmer entstehen können.

Unter diese indirekten Kosten fallen beispielsweise der Verlust der Kenntnisse und Erfahrungen einzelner Mitarbeiter aufgrund der arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigung oder aufgrund von Eigenkündigungen, Motivationsverlust oder einer ansteigenden Anzahl an arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeitern.

Für den Fall, dass der Arbeitgeber die Anordnung der Kurzarbeit aufrechterhält, hat er

  • dem Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld in der jeweiligen Höhe – gestaffelt nach der Bezugsdauer – zu zahlen.
  • ggf. Aufstockungszahlungen zu leisten. Diese Verpflichtung kann aufgrund individualrechtlicher oder kollektivrechtlicher Vereinbarung begründet werden.
  • Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 80 Prozent der wegen der angeordneten Kurzarbeit eingesparten Vergütung zu zahlen. Diese werden momentan in voller Höhe rückerstattet.

Für den Fall, dass der Arbeitgeber (teilweise) Personal abbaut, hat er

  • in Vorbereitung des (teilweisen) Personalabbaus die Kosten der Sozialauswahl – in Form der Mehrarbeit von Arbeitnehmern zur Durchführung der Sozialauswahl sowie der Beauftragung externer Rechtsanwälte und Berater – sowie der Beteiligung des Betriebsrats zu tragen.
  • in Durchführung des (teilweisen) Personalabbaus die Kosten für Abfindungszahlungen – unter Kalkulation möglicher Aufschläge für Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung sowie Abschläge für rentennahe Eintrittsalter – einzukalkulieren.
  • eine mögliche Erstattungspflicht für Leistungen der Agentur für Arbeit.
  • nach Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen die Kosten für die ggf. daraus entstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen/Kündigungsschutzprozesse zu berücksichtigen.

In welcher Höhe ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis während einer laufenden Kurzarbeitsperiode gekündigt wurde, während der laufenden Kündigungsfrist Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung gegenüber dem Arbeitgeber hat, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je nach Ausgestaltung der Anordnung der Kurzarbeit wurde die angeordnete Kurzarbeit entweder beendet oder sie besteht noch. Davon ist auch abhängig, ob der gekündigte Mitarbeiter während der laufenden Kündigungsfrist Anspruch auf Zahlung seiner vollen (ursprünglichen) Vergütung oder nur noch Zahlung einer Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes hat. Es ist eine Betrachtung im jeweiligen Einzelfall erforderlich.

Zusammenfassend lassen sich die monetären Kosten der Weiterführung der Kurzarbeit und eines (teilweisen) Personalabbaus pauschal wie folgt gegenüberstellen:

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Die betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers, für den Kurzarbeit angeordnet wurde, kann wirksam ausgesprochen werden, wenn der Grund der betriebsbedingten Kündigung nicht mit dem Grund der Anordnung der Kurzarbeit identisch ist.

Der Grund, der für die Anordnung der Kurzarbeit herangezogen wurde, ist für den Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung „verbraucht“. Es müssen daher über den Grund der Anordnung der Kurzarbeit hinaus weitere inner- oder außerbetriebliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, die betriebsbedingte Kündigung zu begründen.

Diese Überlegungen zugrunde gelegt, sollte der Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer, für die Kurzarbeit angeordnet wurde, betriebsbedingt kündigen, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit der Arbeitnehmer dauerhaft wegfällt und eine Rückkehr zum „Normalbetrieb“ nicht absehbar ist.

Die Beschäftigungsmöglichkeit bei wirksam angeordneter Kurzarbeit entfällt dauerhaft, wenn der Grund – der zur Anordnung der Kurzarbeit angeführt wurde – nicht wie zunächst prognostiziert vorübergehend, sondern durch zusätzliche oder geänderte Umstände zu einem dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führt.

Hat der Arbeitgeber die unternehmerische Entscheidung getroffen, (Teile des) Personal(s) abzubauen, ist in Vorbereitung dessen frühzeitig eine rechtssichere Sozialauswahl durchzuführen, um eine soziale Rechtfertigung nach § 1 Abs. 3 KSchG sicherzustellen, und die geplanten Maßnahmen insbesondere an den Betriebsrat – falls vorhanden – und die Führungskräfte zu kommunizieren.

Auf die im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer hat der Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen im Hinblick auf die angeordnete Kurzarbeit und den Anspruch auf Zahlung des KUG keinen Einfluss.

Der Arbeitgeber kann alternativ zum (teilweisen) Personalabbau durch betriebsbedingte Kündigungen auch die folgenden Maßnahmen ergreifen:

  • Umsetzungen oder Versetzungen – je nach arbeitsvertraglicher Versetzungsklausel – abteilungsintern bis konzernweit
  • Verkürzung der Arbeitszeit – neben der Einführung von Kurzarbeit – durch Abbau von Arbeitszeitkonten oder Umgestaltung der betrieblichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag
  • Verringerung der Personalstruktur durch Förderung der natürlichen Fluktuation der Arbeitnehmer, z. B. durch vorgezogenen Renteneintritt oder Altersteilzeitregelungen
  • Abschluss von Aufhebungsverträgen mit einzelnen Mitarbeitern. Diese benötigen das Einverständnis des Arbeitnehmer.

Die monetären Kosten der dargestellten Alternativen sind im Folgenden zusammengefasst und gegenübergestellt:

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Dieser Beitrag ist Teil des Expertpapers "Covid 19: Arbeitsrechtliche Handlungsoptionen".