Ohne Dach und Boden

30.10.2019 – Mit Urteil vom 4.7.2019 hat der EuGH entschieden, dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI gegen Art. 15 der RL 2006/123/EG verstoßen. Aufgrund der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie finden die Mindest- und Höchstsätze der HOAI daher keine zwingende Anwendung mehr.

Die HOAI sah bisher für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieure, die als Grundleistungen einem der Leitbilder entsprachen, verbindliche Mindest- bzw. Höchstsätze vor, die nur im Ausnahmefall unter- bzw. überschritten werden durften. Auf Beratungsleistungen fanden diese Sätze keine Anwendung. Die Kommission leitet 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD ein, weil sie der Ansicht war, die Regelung verstoße gegen Art. 15 RL 2006/123/EG und sei eine nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Aus Sicht des EuGHs hindert die Mindestvergütung ausländische Marktteilnehmer daran, unterpreisige Vergütungen anzubieten, um so auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, und beschränke so deren Niederlassungsfreiheit.

Diese Beschränkung sei auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Deutschland hatte argumentiert, dass niedrige Preise aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Verbraucher und Dienstleister zu einer niedrigeren Qualität der Planungsleistung führen würden und so einem generellen Absinken der Qualitätsstandards führen würden. Das Mindesthonorar verhindere dies zum Wohl der Allgemeinheit.

Der EuGH folgte dieser Argumentation zum Teil. So sei es nicht auszuschließen, dass geringe Preise zu einer geringeren Qualität führen könnten. Allerdings seien verbindliche Mindestsätze nicht geeignet, den Qualitätsstandard zu sichern, da Planungsleistungen in Deutschland nicht bestimmten Berufsständen vorbehalten würden, die der berufs- oder kammerrechtlichen Aufsicht unterlägen. Damit sei schon die ausreichende Qualifikation der Dienstleister nicht gewährleistet. Hieran könnten auch Mindestsätze nichts ändern.

Bezüglich der Höchstsätze schloss sich der EuGH der Argumentation der Kommission vollständig an: Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein gleichwertiger Schutz der Verbraucher nicht durch bloße Orientierungshilfen gewährleistet werden könne. Verbindliche Höchstsätze seien daher unverhältnismäßig.

Mit dem Urteil entfällt die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze. Bis zur Entscheidung geschlossene Verträge bleiben wirksam. Auch für Neuverträge kann die HOAI weiterhin als vertragliche Grundlage vereinbart werden. Bei der Auftragsvergabe dürfen Angebote nicht mehr wegen der Nichteinhaltung der Mindest- bzw. Höchstsätze ausgeschlossen werden. Das BMWi wird nun in Absprache mit dem BMI, sowie den Berufsverbänden und Kammern die erforderlichen Änderungen entwerfen. Das BMI hat am 5.8.2019 einen Erlass für das Vorgehen in der Übergangszeit veröffentlicht, zu welchem auch ein neues Vertragsmuster gehört. Wann mit dem Vorschlag zu Änderung der HOAI zu rechnen ist, ist noch nicht bekannt.

Kontakt

Theresa Klemm
Tel: +49 30 208 88-1447

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2019. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.