BFH Zur Sperrwirkung von DBA

20.05.2019 – Mit Urteil vom 27.2.2019 hat der I. Senat des Bundesfinanzhofs seine erst in den vergangenen Jahren insLeben gerufene, zwischenzeitlich aber bereits gefestigte Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen überraschend aufgegeben. Zugleich bestätigte der BFH erstmals, dass die Einkünftekorrekturvorschrift nach § 1 Abs. 1AStG auch Einkünfteminderungen aus der Teilwertabschreibung auf Darlehensforderungen erfasst. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzenfür deutsche Steuerpflichtige mit Darlehensbeziehungen zu verbundenen Unternehmen im Ausland.

1. Sachverhalt

Gegenstand des Rechtsstreits war eine Teilwertabschreibung infolge eines Forderungsverzichts bei dem deutschenSteuerpflichtigen auf ein Verrechnungskonto gegenüber einerbelgischen B. V., an der die Klägerin mittelbar über eine Organgesellschaftbeteiligt war. Auf eine Besicherung war insoweit verzichtet worden. Das Finanzamt hatte die Gewinnminderungauf Grundlage von § 1 Abs. 1 AStG außerbilanziell korrigiert. §8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG war im Streitjahr noch nicht anwendbar.

2. Entscheidung

Die vom Finanzamt gegen das erstinstanzliche Urteil des FG Düsseldorf (Urteil vom 10.11.2015, 6 K 2095/13 K) eingelegte Revision war begründet und deshalb erfolgreich. Die Gewinnminderung aus dem Forderungsverzicht sei außerbilanziell zu korrigieren. Die Korrektur könne auf § 8bAbs. 3 Satz 3 KStG basieren, wenn die Zurverfügungstellung des Kapitals als Einlage zu behandeln gewesen wäre. Sofern es sich um ein Darlehensverhältnis handelte, erfolge dieKorrektur auf Basis von § 1 AStG. Das Darlehensverhältnissei Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 AStG, die fehlendeBesicherung weiche vom Fremdvergleich ab und sei auch fürdie Einkünfteminderung das „auslösende Moment“ im Sinne eines Veranlassungszusammenhangs, weil ohne Verzichtauf Sicherungen keine Wertminderung eingetreten wäre. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung verhindere der abkommensrechtliche Fremdvergleichsgrundsatz nach Zusatz: (hier Art. 9 DBA-Belgien 1967) die Korrektur nicht, weil die fehlende Besicherung auch eine „vereinbarte Bedingung“ im Sinne dieser Norm darstelle. Schließlich stehe auch das Unionsrecht der Korrektur nicht entgegen.

3. Praxisbedeutung

Die Entscheidung bringt zunächst einmal die Gewissheit mit sich, dass die Einkünftekorrekturnorm in § 1 AStG auch bei Teilwertabschreibungen auf Darlehen greift, welche mangels Besicherung als fremdunüblich qualifiziert werden. Damit bestätigt der BFH die Auffassung des BMF (Schreiben vom 29.3.2011, BStBl. I 2011, 277). Diese war im Schrifttum und der Finanzrechtsprechung mitunter bezweifelt worden, weil der Veranlassungszusammenhang („dadurch“) zwischen der Fremdunüblichkeit – insbesondere einer fehlenden Besicherung – und der später eintretenden Wertminderung abgelehnt wurde. Der I. Senat sieht einen hinreichenden Veranlassungszusammenhang gleichwohl als gegeben an und bejaht daher eine Anwendung der Vorschrift. Dies betrifft sämtliche Fälle, die unter § 1 AStG fallen, mithin rechtsformunabhängig DBAund Nicht-DBA-Fälle. Im Bereich der Körperschaftsteuer hat die Entscheidung Bedeutung für Veranlagungszeiträume vor Inkrafttreten des § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG, weil es insoweit bei Nichtanwendbarkeit des § 1 AStG an einer Korrekturnorm für Darlehensforderungen gefehlt hätte.

Im Hinblick auf Auslegung des abkommensrechtlichenFremdvergleichsgrundsatzes in Zusatz: (hier Art. 9 DBA-Belgien1967) subsumiert der I. Senat – in Abkehr seiner bisherigenRechtsprechung – die fehlende Besicherung auch unter die„Bedingungen“ im Sinne dieser Vorschrift. Daher erlaubeZusatz: (hier Art. 9 DBA-Belgien 1967) nicht lediglich eineKorrektur „der Höhe nach“, sondern auch eine Korrektur„dem Grunde nach“. Mit anderen Worten: Eine fehlende Darlehensbesicherungerlaubt dem Anwenderstaat nicht lediglicheine Anpassung des vereinbarten Zinssatzes um eine zusätzlicheRisikokomponente, sondern ebenfalls eine Korrektur derEinkünfte in Höhe des gesamten oder von Teilen des ausgereichtenDarlehens. Ausdrücklich nicht aufgehoben hatder BFH seine Rechtsprechung zur Sperrwirkung vonZusatz: (hier Art. 9 DBA-Belgien 1967) gegenüber den imBereich der verdeckten Gewinnausschüttungen entwickelten Sonderbedingungen bei beherrschenden Gesellschaftern(BFH, Urteil vom 11.10.2012, I R 75/11). Dieser sog. formelleFremdvergleich bleibe weiterhin abkommensrechtlichgesperrt, sofern die tatsächliche Höhe des Vereinbartenangemessen ist. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung (siehe H 8.5 III. KStR).

Schließlich finden sich im Urteil Ausführungen zur ersten Einschätzung der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Hornbach-Baumarkt (Urteil vom 31.5.2018, C-382/16). Insoweit gibtder I. Senat zu erkennen, jeweils einzelfallbezogen festzustellen,ob wirtschaftliche Gründe einer Einkünftekorrektur entgegenstehen. Eine automatische Abkehr vom Fremdvergleich stelle die Entscheidung nicht dar.

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