Aktuelles zu § 2b UStG

30.10.2019 – Verschiebung der Umsetzungsfrist? Anwendung auf privatrechtliche Entgelte für „Abwasserbeseitigung“ und „Hausmüllentsorgung“?

Nachdem weiter viele Unklarheiten bestehen, wird die Zeit für die Vorbereitung und mögliche Umsetzung von Gestaltungen zur Vermeidung von Umsatzsteuerbelastungen knapp.

Entsprechend der „alten“ Rechtslage galt der Bereich der Abwasser- und Abfallentsorgung steuerlich als „hoheitlich“ und unterlag damit insbesondere nicht der Umsatzbesteuerung. Durch das StÄndG 2015 wurde das System der Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) grundlegend reformiert. Seit dem 1.1.2016 gilt die neue Regelung des § 2b UStG. Aufgrund einer Übergangsregelung (§ 27 Abs. 22 UStG) kann noch bis Ende 2020 das „alte“ Umsatzsteuerrecht angewendet werden. Dann gilt § 2b UStG uneingeschränkt. Die jPöR gilt dann nicht als Unternehmer, wenn sie Tätigkeiten ausübt oder Umsätze bewirkt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (§ 2b Abs. 1 S. 1 UStG). Umsatzsteuerlich wird diskutiert, ob allein wegen der Leistungsbeziehungen auf privatrechtlicher Grundlage bereits eine Steuerpflicht besteht. Eine Umsatzsteuerbelastung hätte für die betroffenen Körperschaften eine Verteuerung der Entgelte um wohl bis zu 17 % zur Folge.

Bisher konnte bei der Erhebung von privatrechtlichen Entgelten für „Abwasserbeseitigung“ und/oder „Hausmüllentsorgung“ durch eine JPöR – aufgrund des bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs – von einer Tätigkeit „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“ ausgegangen werden. Entsprechend hat sich der Finanzsenator des Landes Berlin geäußert (Pressemitteilung Nr. 17–011 vom 22.6.2017).

Die Steuer-Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben sich in der 39. Kalenderwoche im Rahmen der Finanzministerkonferenz wieder mit der Frage befasst, ob im Anwendungsbereich des § 2b UStG die Vereinnahmung von privatrechtlichen Entgelten im Abfall- und Abwasserbereich dazu führt, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts als Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuergesetzes mit der Folge der Umsatzbesteuerung anzusehen ist. Eine eindeutige Entscheidung ist weiter offen, da sich nur eine relative Mehrheit der Bundesländer gegen eine unternehmerische Tätigkeit ausgesprochen hat. Gem. § 21a Finanzverwaltungsgesetz ist eine solche Mehrheit für das Bundesfinanzministerium (BMF) nicht bindend.

Es gibt unabhängig von der zuvor erörterten Thematik Initiativen, die Übergangsfrist des § 27 Abs. 22 UStG um zwei weitere Jahre zu verlängern (vgl. zuletzt z. B. Pressemitteilung FinMin Hessen v. 11.9.2019).

Dieses Ansinnen hat auf der vorgenannten Tagung der Steuer-Abteilungsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder nach unseren Informationen breite Zustimmung gefunden. Es muss aber wohl noch eine Klärung erfolgen, ob einer solchen Verlängerung EU-rechtliche Bedenken entgegenstehen.

Auch im Falle einer – derzeit offenen – Fristverlängerung sollten u. E. nun mit den entsprechenden Vorbereitungsarbeiten (z. B. Umstellung auf Gebühren) zeitnah begonnen werden, um Mehrbelastungen für die Kunden möglichst zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang ist auch auf das neue BMF-Schreiben vom 18.9.2019 hinzuweisen. Im („alten“) BMF-Schreiben vom 16.12.2016 (BStBl. 1451) heißt es:

„Als Tätigkeiten, die einer jPöR im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, kommen nur solche in Betracht, bei denen die jPöR auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig wird. Die öffentlich-rechtliche Sonderregelung kann sich dabei aus einem Gesetz, einer Rechtsverordnung, einer Satzung, aus Staatsverträgen, verfassungsrechtlichen Verträgen, Verwaltungsabkommen, Verwaltungsvereinbarungen, öffentlich-rechtlichen Verträgen sowie aus der kirchenrechtlichen Rechtsetzung ergeben. Erbringt eine jPöR in Umsetzung einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung Leistungen in privatrechtlicher Handlungsform und damit unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer, werden diese Tätigkeiten gleichwohl nicht von § 2b UStG erfasst.“

In dem neuen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.9.2019 – III C 2 – S 7107/19/10006 :003 (DOK 2019/0796519) – ist diese Fassung erweitert worden:

„Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt liegen vor, wenn sie im Rahmen der ihnen eigenen rechtlichen Regelungen ausgeübt werden. Nicht dazu gehören Tätigkeiten, die unter den gleichen rechtlichen Bedingungen ausgeübt werden wie von privaten Wirtschaftsteilnehmern, d. h. durch privat-rechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen (siehe BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2016, BStBl 1451). Die Tätigkeit muss das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen mitumfassen. Alle wirtschaftlichen, d. h. unternehmerischen Tätigkeiten müssen eng mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse im Zusammenhang stehen. Die Einrichtung muss sich der hoheitlichen Befugnisse gerade für die für die Umsatzsteuer relevante Tätigkeit bedienen.“

Ggf. eröffnet die neue Formulierung Reaktions- bzw. Gestaltungsspielräume, was wir gern mit Ihnen erörtern würden.

Viele weitere mit § 2b UStG verbundene Fragen müssen nun zeitnah geklärt werden:

  • Steuerliche Behandlung von „Wahlleistungen“ der Kunden
  • Steuerbarkeit einer jPöR bei Geschäften mit „ihrer“ Kommune aa Steuerbarkeit von Hilfsgeschäften
  • Steuerbarkeit des Verkaufs von „kommunalem“ Altpapier

Der noch bestehende und ggf. verlängerte Übergangszeitraum muss für eine schnelle umsatzsteuerliche Bestandsaufnahme und die Entwicklung von wirtschaftlichen Lösungen genutzt werden.

Kontakt

Philipp Hermisson
Tel: +49 30 208 88-1136

Dr. Hans-Martin Dittmann
Tel: +49 30 208 88-1014

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2019. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.