BFH legt nach – Aussetzungszeitraum für Zinsen bis 2012 erweitert

05.11.2018 – Am 24. Oktober 2018 hat der 8. Senat des BFH einen aktuellen Beschluss vom 3. September 2018 (Az.: VIII B 15/18) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes von 6% gemäß § 238 AO veröffentlicht.

Wie zuvor schon der 9. Senat in seinem Beschluss vom 24. April 2018 (Az.: IX B 21/18) kommt der erkennende Senat zu dem Schluss, dass ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes bestehen und dass diese Zweifel – aus Anlass des verhandelten Falls – nicht erst für Zeiträume ab April 2015 (wie im Fall IX B 21/18 verhandelt), sondern bereits seit November 2012 bestehen.

Er verweist dabei wiederum auf die beiden beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren (Az.: 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17), in denen die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe teilweise ab dem Zeitraum 2009 Thema ist. Dass der 3. Senats des BFH noch Ende 2017 (Urteil vom 9. November 2017, Az.: III R 10/16, BStBl. II 2018, 255) von einer Verfassungsmäßigkeit bis 2013 ausging, sei dabei kein Hinderungsgrund, da diese Auffassung aufgrund der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren zur Überprüfung anstehe.

Praxishinweis

Der vorliegende Beschluss ist aus zwei Gründen interessant:

1. Im vorliegenden Fall waren Aussetzungszinsen (§ 237 AO) Verfahrensgegenstand, in den vorangegangenen Verfahren Nachzahlungszinsen (§ 233a AO). Der 8. Senat stellt in seinem Beschluss noch einmal ausdrücklich klar, dass sich die Zweifel auf alle Zinsfestsetzungen beziehen, bei denen der Zinssatz gemäß § 238 AO mit 0,5% pro Monat und damit 6% pro Jahr beträgt. Hierzu gehören folglich:

  • Zinsen auf Steuernachforderungen (§ 233a AO)
  • Stundungszinsen (§ 234 AO)
  • Verzinsung hinterzogener Steuern (§ 235 AO)
  • Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (§ 237 AO)
  • Stundung von Erbschaftssteuer gemäß § 28 ErbStG
  • Zinsen auf Rückzahlung von Investitionszulage (§ 8 InvZulG)
  • Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nr. 20 und 21 der Europäischen Union, soweit die AO anzuwenden ist

2. Die Finanzverwaltung gewährt gemäß BMF-Schreiben vom 14. Juni 2018 (BStBl I 2018, 722) (nur) auf Antrag Aussetzung der Vollziehung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. April 2015. Voraussetzung ist, dass Einspruch gegen den Zinsbescheid eingelegt wurde. Unerheblich ist dabei, zu welcher Steuerart und für welchen Besteuerungszeitraum die Zinsen festgesetzt wurden. Die Finanzverwaltung wendet damit den BFH-Beschluss vom 25. April 2018 auf Antrag an.

Unabhängig davon sollten ab sofort Aussetzungsanträge mit Hinweis auf das aktuelle Urteil immer – soweit relevant – den Zeitraum seit November 2012 umfassen.

Es besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzgerichte im Fall einer ablehnenden Entscheidung die Aussetzung der Vollziehung gewähren werden. Die Finanzverwaltung wäre zur Verfahrensvereinfachung gut beraten, auch den aktuellen BFH-Beschluss zur allgemeinen Anwendung zu bestimmen.

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