Wolf im Schafspelz: Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten

28.09.2017 – Der Bundestag hat am 1.6.2017 das „Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten“ verabschiedet. Nachdem auch der Bundesrat mit Beschluss vom 7.7.2017 zugestimmt hat, ist es am Tag nach seiner Verkündung, am 24.7.2017, in Kraft getreten (BGBl. I S. 2615, Nr. 49). Das Werk hat es in sich: Erst im Zuge einer späten Ergänzung des Artikelgesetzes wurden mit Artikel 8b Regelungen zur Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern eingefügt.

Als wesentliche Konsequenz aus den Beratungen der Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ sieht der neue § 137i SGB V – ähnlich wie bereits § 136a SGB V in Verbindung mit der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) für stationäre Einrichtungen der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung – die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern vor.

Pflegesensitive Bereiche und verbindliche Personaluntergrenzen

Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben ist den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung übertragen worden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SpiV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) legen im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung bis zum 30.6.2018 mit Wirkung zum 1.1.2019 pflegesensitive Bereiche fest und vereinbaren für diese verbindliche Personaluntergrenzen (§ 137i Abs. 1 Satz 1 SGB V).

Pflegesensitive Bereiche sind solche, für die ein Zusammenhang zwischen der Zahl an Pflegekräften und dem Vorkommen pflegesensitiver Ergebnisindikatoren (PSEI, sogenannter unerwünschter Ereignisse) nachweisbar ist, z. B. die Zahl an Geschwüren und Infektionen. Dies bedeutet, dass pflegesensitive Krankenhausbereiche für unerwünschte Ereignisse anfällig sind, soweit eine Pflegepersonalunterbesetzung vorliegt. Bei den Pflegepersonaluntergrenzen handelt es sich um Verhältniszahlen, die das Mindestverhältnis Pflegekraft pro Patient abbilden (vgl. zu den genannten Zusammenhängen ausführlich Schreyögg/Milstein, Expertise zur Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Ergebnisparametern in Deutschland, Hamburg 2016).

§ 137i SGB V normiert daneben weitere inhaltliche Vorgaben für die Ermittlung der Pflegepersonaluntergrenzen und schreibt die Vereinbarung von Maßnahmen zur Vermeidung von Personalverlagerungseffekten, Ausnahmetatbeständen, Übergangsregelungen und Anforderungen an den Nachweis des Erfüllungsgrades vor.

Ausnahmetatbestände können kurzfristige Personalengpässe sowie starke Erhöhungen von Patientenzahlen durch unvorhersehbare Ereignisse, z. B. Epidemien oder Großschadensereignisse, sein. Übergangsregelungen erlangen Bedeutung in Fällen wesentlicher Umsetzungshindernisse, die von der einzelnen Einrichtung nicht zu beeinflussen sind, wie beispielsweise der Fachkräftemangel. Die Nachweislast für Ausnahmetatbestände soll laut Gesetzesbegründung bei den Krankenhäusern liegen.

Selbstvornahme durch BMG

Kommt eine solche Vereinbarung nicht vollständig und fristgemäß zustande, erlässt das Bundesministerium für Gesundheit nach Fristablauf eine entsprechende Rechtsverordnung (§ 137i Abs. 3 SGB V). Die hierfür erforderlichen Kosten (Datenerhebungen, Auswertungen, Sachverständigengutachten) haben die Selbstverwaltungspartner zu tragen.

Nachweis der Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen

Ab dem Jahr 2019 haben die Krankenhäuser durch Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG und der jeweiligen für Krankenhausplanung zuständigen Behörde den Erfüllungsgrad der Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen differenziert nach Personalgruppen und Berufsbezeichnungen und unter Berücksichtigung von Personalverlagerungseffekten nachzuweisen (§ 137i Abs. 4 Satz 1 SGB V).

Eine etwaige Nichteinhaltung der Personaluntergrenzen wird zudem künftig auch veröffentlicht: Der Erfüllungsgrad der Einhaltung der Vorgaben zu den Personaluntergrenzen ist in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser darzustellen (§ 137i Abs. 4 Satz 4 SGB V).

Sanktionen bei Nichteinhaltung

Werden die Untergrenzen nicht eingehalten, drohen künftig Vergütungsabschläge. Der Sanktionsmechanismus ist zweistufig ausgestaltet worden. Der GKV-SpiV und die DKG vereinbaren für den Fall der Nichteinhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen mit Wirkung für die jeweiligen Parteien der Pflegesatzvereinbarungen zunächst insbesondere die Höhe und die Ausgestaltung von Vergütungsabschlägen. Kommt eine solche Vereinbarung bis zum 30.6.2018 nicht zustande, trifft die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 6 KHG die ausstehenden Entscheidungen (§ 137i Abs. 1 SGB V).

Hält ein Krankenhaus die verbindlich festgelegten Pflegepersonaluntergrenzen sodann konkret nicht ein, ohne dass ein Ausnahmetatbestand oder die Voraussetzungen einer Übergangsreglung eingreifen, ist durch die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG, d. h. durch die „Vertragsparteien vor Ort“ (Krankenhausträger und Kostenträger auf Landesebene), der konkrete Vergütungsabschlag zu vereinbaren (§ 137i Abs. 5 SGB V).

Finanzierung eines Personalmehrbedarfes

Der Gesetzgeber geht davon aus, dass grundsätzlich die mit den Untergrenzen verbundene Pflegepersonalausstattung bereits mit den bestehenden Entgelten ausfinanziert und der für die Versorgung erforderliche Pflegepersonalaufwand bereits in der Kalkulation des DRG-Systems berücksichtigt ist.

Für Fälle, in denen eine anderweitige Finanzierung eines entstehenden finanziellen Mehraufwands von Pflegepersonaluntergrenzen, insbesondere über die Entgelte des DRG-Systems, Zuschläge, krankenhausindividuelle Entgelte oder Entgelte auf der Grundlage des SGB V, nicht in vollem Umfang gewährleistet ist (eine Doppelfinanzierung also nicht vorliegt), sieht § 137i Abs. 6 SGB V vor, dass der GKV-SpiV und die DKG eine Rahmenvereinbarung darüber zu treffen haben, welche Mehrkosten, die bei der Finanzierung der Pflegepersonaluntergrenzen entstehen, in Art und Umfang von den Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG bei der Vereinbarung krankenhausindividueller Zuschläge nach § 5 Abs. 3c KHEntgG zu berücksichtigen sind. Nur die nicht in den bereits bestehenden Entgelten enthaltenen Mehrkosten können ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang stehen auch die Änderungen insbesondere von §§ 4, 5 Abs. 3c, 8, 9 und 21 KHEntgG, die eine Überführung der Mittel des Pflegestellen-Förderprogramms in den Pflegezuschlag gemäß § 8 Abs. 10 KHEntgG ab dem 1.1.2019 vorsehen.

Hinweis

§ 137i SGB V beinhaltet zunächst einen Handlungsauftrag an die Selbstverwaltungspartner, sieht aber eine recht knapp bemessene Umsetzungsfrist vor. Dass eine Einigung nicht leicht sein wird, ist wohl bereits absehbar. Eine vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragte Studie hat 15 Fachabteilungen identifiziert, in denen eine Unterbesetzung mit Pflegekräften signifikante Auswirkungen auf die Versorgungsqualität der Patienten hat und eine Pflegepersonaluntergrenze danach sinnvoll ist. Der GKV-SpiV hat jedoch bereits infrage gestellt, dass diese Ergebnisse auf einer hinreichenden Datengrundlage beruhten.

Welche Bereiche schließlich im Einzelnen als pflegesensitiv festgelegt werden, welche Quoten gelten und in welcher Höhe Sanktionen drohen, bleibt demnach abzuwarten. Jedenfalls aber wird die Einhaltung der Pflegemindestpersonaluntergrenzen den ohnehin nicht schlanken Pflichtenkatalog der Krankenhäuser erweitern und sollte sorgfältig beachtet werden, da andernfalls Vergütungskürzungen und Haftungsrisiken drohen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2017. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.