Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand (§ 2b UStG n. F.)

Mit dem Steueränderungsgesetz 2015 wird die Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts neu definiert (Einführung eines neuen § 2b UStG). Diese Gesetzesänderung soll die Sonderrolle der öffentlichen Hand bei der Umsatzbesteuerung beseitigen und damit europarechtlichen Vorgaben nachkommen. Insbesondere auf Druck von kommunaler Seite sind aber einige Ausnahmen für die interkommunale Zusammenarbeit beibehalten sowie eine großzügige (optionale) Übergangsregelung geschaffen worden.

Hintergrund:

Nach aktueller Gesetzeslage besteht ein Gleichklang zwischen Körperschaftsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht. Danach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nach dem Vorbild des Körperschaftsteuerrechts auch umsatzsteuerlich nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art (BgA) Unternehmer und unterliegen auch nur mit diesen der Umsatzsteuer. Nach derzeitiger Verwaltungsauffassung ist der „BgA“ für umsatzsteuerliche Zwecke auch nicht anders auszulegen als für Zwecke der Körperschaftsteuer, sodass de facto auch umsatzsteuerlich eine Nichtaufgriffsgrenze von einem Gesamtjahresumsatz von 30.678 Euro je Tätigkeit und sog. Aufgriffseinheit (z. B. städtisches Bäderamt oder Pressestelle) gilt.

Neuregelung:

Nach dem neuen § 2b UStG entfällt die Rückbindung an das körperschaftsteuerliche Institut des BgA. Soweit die öffentliche Hand auf privatrechtlicher Grundlage tätig wird (z. B. Vermietung von Grundstücken), ist sie nach der Neuregelung zwingend immer Unternehmer, und zwar auch, wenn diese Tätigkeit – z. B. bei langfristiger Nutzungsüberlassung gegen Entgelt – dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen ist.

Soweit sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, gibt es aber folgende drei Bereichsausnahmen:

  • Fälle, in denen eine Steuerbefreiung bestünde (ohne Optionsmöglichkeit wie z. B. bei Vermietungsumsätzen), wenn ein Privater diese Leistung ausführen würde.
  • Die Leistung erfolgt gegenüber einer anderen Person des öffentlichen Rechts und es handelt sich um Leistungen, die der öffentlichen Hand vorbehalten sind (insbesondere Fälle der klassischen Amtshilfe, z. B. Polizei oder Standesamt).
  • Die Leistung erfolgt gegenüber einer anderen Person des öffentlichen Rechts und ist durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt.

Gerade mit den letzten beiden Ausnahmen soll das Institut der sog. Beistandsleistung zumindest teilweise aufrechterhalten bleiben. Die Formulierung der letzten Ausnahme „gemeinsame öffentliche Interessen“ ist der EU-Vergaberichtlinie entnommen. Das Gesetz stellt mehrere kumulative Kriterien auf, wann diese Ausnahmeregelung typischerweise vorliegt; ein in Aussicht gestelltes Schreiben der Finanzverwaltung soll eine Auslegungshilfe für diese Kriterien bieten.

Zudem wurde ein Freibetrag von 17.500 Euro eingeführt, ähnlich der sog. Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG, der nach dem Gesetzeswortlaut für jede „gleichartige“ Tätigkeit gilt, sodass er bei unterschiedlichen Tätigkeiten von einer einzigen juristischen Person des öffentlichen Rechts u. U. auch mehrmals in Anspruch genommen werden kann.

Auswirkungen:

Der Systemwechsel hat zur Folge, dass der unternehmerische Bereich bei Körperschaften des öffentlichen Rechts (deutlich) erweitert wird. Dies ergibt sich insbesondere aus der Einbeziehung sämtlicher Tätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage, der gegenüber der bisherigen BgA-Nichtaufgriffsgrenze (30.678 Euro) je BgA niedrigeren Freigrenze (17.500 Euro) je Tätigkeit und der Eingrenzung des Anwendungsbereichs möglicher nicht steuerbarer Beistandsleistungen.

Es ist absehbar, dass vor diesem Hintergrund die hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs teilweise umstrittenen „regulären“ Umsatzsteuerbefreiungen zunehmend an Bedeutung gewinnen werden (Beispiel: § 4 Nr. 15 UStG für Umsätze von Sozialversicherungsträgern).

Übergangsregelung:

Die Neuregelung gilt ab 2017. Soweit die Ausweitung des unternehmerischen Bereichs unter Berücksichtigung der dann auch zur Verfügung stehenden (in der Tendenz erweiterten) Vorsteuerabzugsberechtigung zu einer höheren Steuerbelastung als bisher führt, ist die Inanspruchnahme der gesetzlichen Übergangsregelung zu prüfen. Bis Ende 2016 kann ein Antrag gestellt werden, mittels dessen die Anwendung der Neuregelung bis auf den 1.1.2021 hinausgeschoben werden kann. Nach unserer Einschätzung und Erfahrung wird sich eine Antragstellung im Regelfall anbieten.

Hinweis:

Bis 2021 kann der Antrag mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

Für den Fall, dass die Übergangsregelung in Anspruch genommen wird, sind auch einige Folgeüberlegungen wichtig, zum Beispiel die Sicherung des Vorsteuerabzugs. Sofern schon im Übergangszeitraum (d. h. bis 31.12.2020) Investitionen getätigt werden, ist die Absicht zur späteren Erzielung umsatzsteuerpflichtiger Ausgangsumsätze schon jetzt entsprechend zu dokumentieren; das gilt insbesondere, wenn bei späterer Vermietung gem. § 9 UStG im Mietvertrag zur Umsatzsteuer optiert werden soll.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.