EuGH-Vorlage zu den Anforderungen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung – vollständiger Name, vollständige Anschrift

14.12.2016 – Der EuGH muss sich aufgrund der Vorlagen des BFH (Beschlüsse vom 6.4.2016 – V R 25/15 sowie XI R 20/14) mit den Anforderungen befassen, die im Umsatzsteuerrecht an eine ordnungsgemäße Rechnung zu stellen sind, damit der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

In der Sache geht es um die Frage, ob die von einem Unternehmer geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus Rechnungen nur dann abziehbar sind, wenn der leistende Unternehmer unter der angegebenen Anschrift auch tatsächlich seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet (so jedenfalls nach bisheriger Ansicht des BFH: Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14), oder der Vorsteuerabzug auch dann zu gewähren ist, wenn es sich unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift des Lieferers lediglich um einen „Briefkastensitz“ handelt, unter dem dieser lediglich postalisch zu erreichen ist. So jedenfalls könnte der Hinweis des EuGH im Urteil PPUH Stehcemp vom 22.10.2015 (C-277/14) zu verstehen sein, wonach ein Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutzgesichtspunkten bereits dann zu gewähren ist, wenn der Steuerpflichtige weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war.

Der EuGH hat PPUH Stehcemp als Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung über die Lieferung von Dieselkraftstoff gewährt, obwohl die Rechnung von einer Firma (Finnet) ausgestellt war, die nicht der leistende Unternehmer war. Außerdem war an der Anschrift von Finnet als Rechnungsausstellerin keine wirtschaftliche Tätigkeit möglich.

Diese Sichtweise lässt nach Auffassung des BFH den Schluss zu, dass die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen als Rechnungsangabe möglicherweise doch nicht voraussetzt, dass dort wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden.

In diesem Zusammenhang ist nun noch ein weiteres Verfahrens zu dieser Frage beim BFH anhängig (V R 28/16, Vorinstanz: FG Baden-Württemberg 1 K 1158/14 vom 21.4.2016). Das FG ließ den Vorsteuerabzug zu, obwohl der leistende Unternehmer nicht die Anschrift seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern eine Briefkastenadresse (Gesellschaftssitz lt. Handelsregister) in den Rechnungen verwendete. Das FG argumentierte, dass der EuGH bislang den Begriff der „vollständigen Anschrift“ nicht konkretisiert habe. Aus Gründen der Rechtssicherheit würde daher die Angabe des handelsrechtlichen Sitzes genügen.

Umsatzsteuerbescheide, die aus vorgenannten Erwägungen einen Vorsteuerabzug versagen, sollten daher verfahrensrechtlich offen gehalten werden.

Kontakt

Christoph Mendel
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 5/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.