Die GoBD werden ein Jahr alt – Achtung vor steuerlicher Hinzuschätzung wegen formeller Mängel bei Nicht-Beachtung der GoBD

Gastbeitrag zum Farr-Jubiläumsnewsletter 11/2015
Das mit Datum vom 14. November 2014 erschienene - und lange erwartete - BMF-Schreiben „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“ wird nun bald ein Jahr alt. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

Zielerreichung der GoBD fraglich

Gemäß Aussagen der Finanzverwaltung sollten mit den GoBD gleich mehrere Ziele erreicht werden:

  • So sollten die bislang getrennt vorliegenden BMF-Schreiben zu den „Grundsätzen ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS)“ und zu den „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“ sowie die „Fragen und Antworten zum Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung“ zusammengefasst werden.
  • Darüber hinaus sollten die Ordnungsmäßigkeitsanforderungen an den Einsatz von IT bei der Buchführung und bei sonstigen Aufzeichnungen konkretisiert und den aktuellen Entwicklungen angepasst werden.
  • Und…zu guter Letzt sollte das Formalziel des Bürokratieabbaus vorangetrieben werden.

Leider lässt sich feststellen, dass nicht alle Ziele erreicht wurden. In Bezug auf eine klare Festlegung und den Bürokratieabbau besteht „Luft nach oben“. Der Aufwand in den Unternehmen zur Erfüllung der Ordnungsmäßigkeitsanforderungen hat sich sogar erhöht.

GoBD in der Praxis bereits heute wirksam

Auch wenn die Finanzverwaltung fortwährend betont, dass durch die GoBD keine Änderung der materiellen Rechtslage bzw. der Verwaltungsauffassung eintritt, zeigt die Praxis der Betriebsprüfungen anderes. Folgende Aspekte lassen sich als Beispiel nennen:

  • Zunächst ist festzustellen, dass der Hinweis der Finanzverwaltung, die Anforderung beträfe nur das Steuerrecht und nicht das Handelsrecht, nicht zutrifft. 
    Tatsächlich unterscheiden Unternehmen bei ihren IT-gestützten Buchhaltungsverfahren sowie zugehörigen IT-Systemen und -Verfahren nicht nach Steuer- und Handelsrecht. 
    Als einfaches Beispiel gilt, dass eine Systemdokumentation oder ein IT-gestütztes IKS in der Praxis immer nach den maximalen Anforderungen ausgerichtet werden. Die Vorgaben der GoBD gelten somit faktisch für alle Verfahren im Unternehmen.
  • Die Definition von aufzubewahrenden und aufzuzeichnenden Unterlagen ist zwar gemäß §140 AO unverändert, jedoch rückt aufgrund der expliziten Nennung in den GoBD nun tatsächlich ein erheblich breiteres Spektrum in den Fokus der Finanzverwaltung. 
    Wurden bislang vor allem „steuerlich relevante“ Daten im engeren Sinne angefordert, stehen jetzt alle aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen im Fokus. 
    Hierzu gehören nach den Ausführungen der Finanzverwaltung eben auch die aufgrund außersteuerlicher Aufzeichnungspflichten zu führenden Unterlagen sowie Unterlagen, die zum Verständnis und zur Überprüfung gesetzlich vorgeschriebener Aufzeichnungen erforderlich sind. Die Bandbreite umfasst somit z. B. ausdrücklich Stundenaufzeichnungen von Fahrschulen („Fahrlehrerordnung“) und Due Diligence-Berichte mit nur teilweise steuerlich relevanten Inhalten.
  • §162 AO und das Mittel der Schätzung wird nach unseren Erfahrungen konsequent in Verbindung mit den GoBD angewandt. Die Finanzverwaltung prägt hierzu den Begriff der „formellen Mängeln mit sachlichem Gewicht“. 
    Dies bedeutet in der Praxis, dass bei Feststellung der Nichteinhaltung einzelner formeller Anforderungen schnell weitere formelle Mängel identifiziert werden können. Kommen so mehrere formelle Mängel zusammen, ist das Verwerfen der Buchhaltung und eine hiermit begründete Schätzung regelmäßig die Folge. Ein vorstellbares Szenario ist z. B. die Feststellung von „Lücken in der Belegnummerierung“ und die folgende Feststellung, dass „aufgrund fehlender Verfahrensdokumentation keine vollständige Transparenz über den Informations- und Belegfluss erreicht werden kann.

Fazit

Da in den Unternehmen IT-gestützte Buchhaltungsverfahren sowie die zugehörigen IT-Systeme und -Verfahren nicht unterschiedlich nach steuerrechtlichen, handelsrechtlichen oder sonstigen Anforderungen ausgerichtet werden können, wird auf Dauer die schärfste Norm ausschlaggebend sein. Dies ist eindeutig das BMF-Schreiben zu den GoBD.

Daher ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit den GoBD für jedes Unternehmen obligatorisch. Das „scharfe Schwert“ der Schätzung - begründet nur mit formellen Mängeln - gibt die notwendige Motivation für die Unternehmen.

Das von der Finanzverwaltung nicht offiziell genannte Ziel, die seit Langem existierenden, jedoch bislang wenig beachteten Anforderungen an eine ordnungsmäßige Buchführung endlich durchzusetzen, dürfte in vielen Bereichen erreicht werden.

Als positiv ist zu bewerten, dass viele der für die Erreichung der GoBD-Konformität notwendigen Maßnahmen auch einer allgemeinen Professionalisierung in Bezug auf die Geschäftsprozesse dienen.