Rückstellung für Mitarbeiterboni auch ohne schriftliche Vereinbarung

Mit rechtskräftigem Urteil vom 16. November 2022 (13 K 3467/19 F) stellt das FG Münster klar, dass eine jahrelange betriebliche Übung – selbst unter Freiwilligkeitsvorbehalt – als faktische Verpflichtung für die Bildung von Rückstellungen in der Steuerbilanz ausreichend ist.

Hintergrund

Die Bildung von Rückstellungen in Bilanzen dient dem Zweck, künftige wirtschaftliche Belastungen bereits vor dem Zeitpunkt ihres tatsächlichen Eintritts in den Bilanzen des Unternehmers gewinnmindernd zu erfassen. Steuerrechtlich ist die Zulässigkeit von Rückstellungen restriktiv geregelt. Steuermindernde Rückstellungen für Personalaufwand führen in Betriebsprüfungen deshalb immer wieder zu Diskussionen, die dann häufig gerichtlich ausgetragen werden müssen.

Nach der BFH-Rechtsprechung kann eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden, wenn künftig eine Verbindlichkeit dem Grunde nach mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entsteht, jedoch deren Höhe ungewiss ist. Die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit muss in der Zeit vor dem Bilanzstichtag liegen und der Schuldner muss ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen.

Entscheidungsfall

Im vom FG Münster entschiedenen Fall hatte das Unternehmen seit mehr als zehn Jahren ohne Unterbrechung Mitarbeiterboni ausgezahlt, obwohl die Arbeitnehmer weder arbeitsvertraglich noch durch eine Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf diese Boni hatten. Aufgrund eines vom Unternehmen ausgesprochenen Freiwilligkeitsvorbehalts schien auch ein arbeitsrechtlicher Anspruch aus betrieblicher Übung zweifelhaft. Die Boni wurden regelmäßig im März des Folgejahres zur Abgeltung der Leistungen im abgelaufenen Geschäftsjahr ausgezahlt.

Bildung einer Rückstellung für Mitarbeiterboni in der Steuerbilanz zulässig

Wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts stand die Verbindlichkeit am jeweiligen Bilanzstichtag weder dem Grunde noch der Höhe nach mit Sicherheit fest. Dies verhinderte nach Auffassung des FG Münster jedoch nicht die Bildung der Rückstellung. Vielmehr sei die künftige Entstehung einer Verbindlichkeit am Bilanzstichtag mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Verbindlichkeit auf Auszahlung der Mitarbeiterboni (mehr als „51 %“) ergebe sich im Streitfall aus der seit über zehn Jahren bestehenden ständigen Übung des Unternehmens, Mitarbeiterboni ohne rechtliche Verpflichtung an die Mitarbeiter auszuzahlen.

Mitarbeiterboni können zwar einen Doppelcharakter haben, nämlich einerseits die Belohnung in der Vergangenheit bereits erbrachter Arbeitsleistung und andererseits die Mitarbeiterbindung mit Zukunftsbezug. Dadurch wird jedoch eine Verursachung vor dem Bilanzstichtag nicht automatisch ausgeschlossen. Vielmehr kommt es auf eine Gewichtung der Anknüpfungspunkte an, wobei im entschiedenen Fall nach Ansicht des FG Münster der Veranlassungszusammenhang mit der Arbeitsleistung im abgelaufenen Geschäftsjahr überwog.

Im Ergebnis stellte das Gericht klar, dass die Bildung eines Passivpostens zur Erfüllung zukünftiger Verbindlichkeiten bezüglich der Auszahlungen von Mitarbeiterboni in der Steuerbilanz zulässig sei.

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