Erste Einschätzung zum Entwurf des BMF-Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital vom 9. November 2022

Mit Datum vom 9. November 2022 hat das BMF einen Entwurf (im Folgenden: „Entwurf“) zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechtskapital veröffentlicht, zu denen sich die einzelnen Verbände äußern können. Inhalt dieses Entwurfs ist insbesondere die Definition von Genussrechtskapital und dessen Abbildung in der Steuerbilanz (primär für Kapitalgesellschaften).

Auch äußert sich das BMF erstmals zur steuerbilanziellen Abbildung des sog. Debt-Mezzanine-Swaps. Dem Entwurf vorausgegangen sind umfangreiche kontroverse Diskussionen über die ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital in der Finanzverwaltung, der Gerichtsbarkeit und der einschlägigen Fachliteratur. Diese Kontroversen umfassten im Wesentlichen die folgenden steuerrechtlichen Fragestellungen:

  • Ist Genussrechtskapital in der Steuerbilanz grundsätzlich als Fremdkapital zu passivieren, auch wenn es in der Handelsbilanz unter Anwendung des IDW HFA 1/94 als Eigenkapital berücksichtigt wurde?
  • Kann die Einkommensermittlungsvorschrift gem. § 8 Abs.3 Satz 2 2. Alternative KStG mittelbar Auswirkung auf die steuerbilanzielle Berücksichtigung des Genussrechtskapitals haben, obwohl diese keine originäre Bilanzierungsvorschrift ist?
  • Wann liegt eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös i. S. d. § 8 Abs.3 Satz 2 2. Alternative KStG vor?

I. Definition Genussrechtskapital

1. Allgemeine Definition

Der Begriff des Genussrechtskapitals ist rechtlich nicht definiert, wird jedoch in verschiedenen Gesetzen (vgl. u. a. § 221 Abs. 3 AktG, §§ 10 Abs. 5 KWG, 53 c Abs. 3 a VAG, 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, 10 Abs. 5 EStG) erwähnt. Gem. BMF klassifiziert als Genussrechtskapital ein schuldrechtliches Gläubigerrecht. Der Rechtsinhaber besitzt somit ausschließlich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Emittenten auf Rückzahlung des Kapitals sowie grundsätzlich einen Anspruch auf Verzinsung. Aufgrund der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit können weitere Aspekte wie z. B. die Verlustbeteiligung, die Laufzeit, die Kündigungsmöglichkeiten, die Kontrollrechte sowie ein etwaiger Rangrücktritt vereinbart werden. Die Definition ist somit sehr weit gefasst und lässt große vertragliche Gestaltungsspielräume zu.

2. Unterscheidung beteiligungsähnliches und obligationsähnliches Genussrechtskapital

Genussrechte vermitteln nur dann eine gesellschafterähnliche Rechtsstellung, wenn sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös umfassen (beteiligungsähnliches Genussrecht). In diesem Fall liegen Kapitaleinkünfte i. S. d. § 20 Abs.1 Satz 1 EStG vor. Liegt eine der beiden Voraussetzungen nicht vor, ist das Genussrecht als obligationsähnlich einzustufen und es werden Einkünfte i. S. d. § 20 Abs.1 Nr. 7 EStG erzielt. Beteiligungsähnliche Genussrechte lassen einen Betriebsausgabenabzug für die Vergütungen beim Schuldner gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 2. Alternative KStG nicht zu.

II. Steuerbilanzielle Abgrenzung zwischen Fremdkapital und Eigenkapital

1. Handelsrechtliche Qualifikation

Grundsätzlich wird das Genussrecht als Fremdkapital eingestuft und dementsprechend als Verbindlichkeit in der Handelsbilanz ausgewiesen.

Eine Berücksichtigung im Eigenkapital erfolgt unter Anwendung des IDW HFA 1/94 nur dann, wenn die folgenden Kriterien kumulativ erfüllt sind:

  • Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung gegenüber den anderen Gläubigern,
  • Erfolgsabhängigkeit der Vergütung,
  • Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe des überlassenen Kapitals und
  • Langfristigkeit der Kapitalüberlassung.

2. Steuerrechtliche Qualifikation

Das BMF nimmt in seinem Entwurf bezüglich des steuerbilanziellen Ausweises Stellung. Demnach gilt das Genussrechtskapital aufgrund seines schuldrechtlichen Charakters und des damit einhergehenden Rückzahlungsanspruchs grundsätzlich als Fremdkapital (Regel). In bestimmten Fällen erfolgt jedoch der Ausweis in der Steuerbilanz als Eigenkapital (Ausnahme). Mögliche Fälle dieser Ausnahme sind nachfolgend skizziert:

a) Genussrechtskapital in der Krise

Der Ausweis im Eigenkapital erfolgt nach Ansicht des BMF, wenn unter anderem folgende Indizien kumulativ erfolgt sind:

  • Kapitalüberlassung im zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens,
  • geringe laufende Gewinne gegenüber hohen Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft,
  • Verzicht des Kapitalgebers auf Sicherheiten für das Darlehen.

b) Wandlungs- und Optionsrechte

Der Ausweis im Eigenkapital bei Genussrechten mit Wandlungs- oder Optionsrechten erfolgt, wenn bereits bei Hingabe des Genussrechts ein wirtschaftlicher Zwang zum Erwerb von Gesellschaftsrechten besteht.

III. Ansatz der Verbindlichkeit in der Bilanz

Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes in § 5 Abs.1 Satz 1 EStG sind die nach den handelsrechtlichen GoB ermittelten Werte dem Grunde nach auch für die Steuerbilanz zu berücksichtigen, soweit dem nicht steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorschriften entgegenstehen. Aufgrund des häufig bei Genussrechten vereinbarten Rangrücktritts nimmt das BMF insbesondere zum Passivierungsaufschub nach § 5 Abs.2a EStG Stellung, ohne hierbei jedoch auf die aktuelle BFH-Rechtsprechung zum sogenannten qualifizierten Rangrücktritt einzugehen.

Passivierungsaufschub nach § 5 Abs. 2a EStG

Nach § 5 Abs. 2a EStG ist eine Verpflichtung, die nur zu erfüllen ist, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst dann anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne vorliegen.

Dies soll laut BMF im Zusammenhang mit Genussrechtskapital, das in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit ausgewiesen wurde, auch gelten, soweit dieses Genussrechtskapital nicht nur aus künftigen Gewinnen, sondern auch aus einem eventuellen Liquidationsüberschuss bedient wird, da auch in diesem Fall eine gegenwärtige wirtschaftlichen Belastung nicht vorliegt. Dieses Verständnis des BMF zur Anwendung des § 5 Abs. 2a EStG stimmt mit der Rechtsprechung des BFH zum Rangrücktritt überein.

IV. Zahlungen auf Genussrechtskapital bei der Einkommensermittlung

Das BMF führt im Entwurf seine Rechtsauffassung zu den Tatbestandsvoraussetzungen „Beteiligung am Gewinn“ und am „Liquidationserlös“ i. S. d § 8 Abs. 3 Satz 2 2 Alternative KStG aus. Dabei orientiert sich der Entwurf grundsätzlich an der einschlägigen BFH-Rechtsprechung, die zwischen beteiligungsähnlichen und obligationsähnlichen Genussrechten differenziert.

1. Beteiligung am Gewinn

Gemäß BMF ist das Merkmal „Beteiligung am Gewinn“ weit auszulegen und umfasst eine Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg des Emittenten. Als mögliche Bemessungsgrundlage für die Vergütung kann hierfür der Jahresüberschuss, der Bilanzgewinn, der ausschüttungsfähige Gewinn, das EBIT oder EBITDA sowie etwaige Dividendenausschüttungen herangezogen werden. Keine Beteiligung am Gewinn soll vorliegen, wenn die Vergütung vom Ergebnis einer Unternehmenssparte, von einzelnen Wirtschaftsgütern oder anderen Konzerngesellschaften erfolgt.

2. Beteiligung am Liquidationserlös      

Nach Auffassung des BMF liegt eine Beteiligung am Liquidationserlös grundsätzlich nicht vor, wenn das Genussrechtskapital nur nominal im Falle einer Liquidation zurückzuzahlen ist. Demnach ist es für die Annahme der Beteiligung am Liquidationserlös notwendig, dass über die Rückzahlung des Nominalbetrages hinaus eine Beteiligung an den stillen Reserven der Gesellschaft vereinbart wird. Die Dauer der Kapitalüberlassung allein begründet keine Beteiligung am Liquidationserlös.

V. Debt-Mezzanine-Swap

Gemäß Entwurf liegt ein Debt-Mezzanine-Swap vor, wenn eine bestehende Darlehensverbindlichkeit in ein als Fremdkapital zu qualifizierendes Genussrecht umgewandelt wird. In diesen Fällen erfolgt ein erfolgsneutraler Passivtausch zwischen zwei Fremdkapitalpositionen. In diesen Konstellationen stellt sich demnach die Frage der Werthaltigkeit von Einlagen nicht, da explizit keine Einlage in das Eigenkapital vorliegt. Bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung kann diese hybride Finanzierungsform insbesondere bei Unternehmen in der Krise herangezogen werden, um in der Handelsbilanz unter Verweis auf IDW HFA 1/94 das Eigenkapital zu stärken – ohne hierbei mögliche steuerliche Nachteile, die sich aus etwaigen Bewertungsfragen von Einlagen ergeben, auszulösen.

VI. Fazit für die Praxis

Der Entwurf ordnet die in den letzten Jahren kontrovers diskutierten Fragestellungen hinsichtlich der steuerbilanziellen Abbildung von Genussrechtskapital ein und stellt hierbei im Ergebnis auf die originären handelsrechtlichen GoB ab. An entscheidenden Stellen enthält der Entwurf jedoch stark auslegungsbedürftige Formulierungen. So sind insbesondere die Ausführungen zu den Kriterien bei in der Krise gegebenem Genussrechtkapital nicht klar definiert. Hierbei stellen sich in der Praxis im Wesentlichen die folgenden Fragstellungen:

  • Wann liegt ein zeitlicher Zusammenhang mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens i. S. d. Entwurfs vor?  
  • Wie soll das Kriterium der geringen laufenden Gewinne gegenüber hohen Verbindlichkeiten quantifiziert werden – wo ist hier die Grenze?

Diese Fragen werden, sofern nicht im finalen Schreiben weitere Ausführungen zu diesen Formulierungen enthalten sind, in der Praxis regelmäßig zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung führen. Eine entsprechende Analyse und Dokumentation des Genussrechtskapitals zum Zeitpunkt der Implementierung ist daher unerlässlich.

Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?

Sprechen Sie uns an

Autor

Dennis Kellmann
+49 211 83 99 278

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.