Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sowie des Übergangs eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsübergangs

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 20. Juli 2023 (Az. 6 AZR 228/22) klargestellt, dass in dem Falle, in dem ein Geschäftsführer einer GmbH auf Basis eines Arbeitsvertrags und nicht aufgrund eines Dienstvertrags tätig wird, bei einem Betriebsübergang gem. § 613a BGB das Arbeitsverhältnis auf den neuen Erwerber übergeht, nicht aber die Organstellung. Das Kündigungsschutzgesetz findet dagegen keine Anwendung.

Sachverhalt

Der Kläger wurde nach 13 Jahren zum Geschäftsführer der P GmbH bestellt. Ein Geschäftsführerdienstvertrag wurde nicht geschlossen.

Im Oktober 2019 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Geschäftsbetrieb wurde zunächst weitergeführt. So erbrachte die P GmbH auch Dienstleistungen für die P B. V., welche die wesentlichen Betriebsmittel der zwischenzeitlich ebenfalls insolvent gewordenen P Group B. V. übernommen und deren Geschäfte fortgeführt hatte.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2020 wurde über das Vermögen der P GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am selben Tag kündigte dieser das Arbeitsverhältnis des Klägers sowie „ein etwaig bestehendes Geschäftsführeranstellungsverhältnis“. Das Schreiben ging dem Kläger am Vormittag des 16. Januar 2020 zu. Am selben Tag legte dieser im Rahmen einer um 14:56 Uhr gesendeten E-Mail sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder.

In seiner Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 613a Abs. 4 BGB, der Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs ausschließt, und den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2, geltend. Die Beklagte zu 2 habe u. a. einen wesentlichen Teil der Belegschaft, den Geschäftsbetrieb und das Warenwirtschaftssystem der P GmbH übernommen, sodass ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Infolgedessen sei eine Kündigung ausgeschlossen.

Darüber hinaus sei die Kündigung auch gem. § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt.

Die Beklagte war dagegen der Ansicht, dass die Kündigung nicht am Maßstab des § 1 KSchG zu messen sei, da das Kündigungsschutzgesetz aufgrund der Organstellung des Klägers im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine Anwendung fände. Auch habe der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nicht wirksam niedergelegt. Maßgeblich sei, dass der Kläger sowohl zum Zeitpunkt der Kündigung als auch im Zeitpunkt des angeblichen Betriebsübergangs noch als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Im Übrigen habe kein Betriebsübergang stattgefunden.

Während das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm die Klage vollständig ab. Das BAG hob das Urteil des LAG auf.

Die Entscheidung

Das BAG stellte klar, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf den gesetzlichen Kündigungsschutz berufen könne, da er bei Zugang der Kündigung noch Geschäftsführer war. Gem. § 14 Abs. 1 KSchG gelten die maßgeblichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht für Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Dies gelte uneingeschränkt jedenfalls dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Kündigung noch bestehe. Wesentlich seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, sodass eine anschließende Amtsniederlegung keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Kündigung habe.

Ebenso wenig komme es darauf an, ob die Organstellung bei Kündigungszugang noch im Handelsregister eingetragen sei. Die Amtsniederlegung ist eine formfreie, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich jederzeit und fristlos erfolgen kann. Unbeschadet möglicher abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen genüge es für die Wirksamkeit, wenn die Amtsniederlegungserklärung einem der gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter oder einer von diesen bevollmächtigten Person zugehe.

Dass das der Organstellung zugrunde liegende Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei, stünde der Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht entgegen. Der Kläger hatte seine Tätigkeit unstreitig allein auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags erbracht. Ein Dienstvertrag wurde nicht geschlossen. Organvertreter sollen allein aufgrund ihrer organschaftlichen Stellung aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes herausgenommen sein.

Bzgl. des seitens des Klägers behaupteten Betriebsübergangs stellte das BAG klar, dass die entsprechende Regelung des § 613a BGB auf den Kläger anwendbar sei. Der Schutzbereich der Norm erstrecke sich auf Arbeitsverhältnisse und damit auf alle Arbeitnehmer. Dies gelte auch für § 613a Abs. 4 BGB, nach dem Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs ausgeschlossen seien. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Anwendung des § 613a BGB auf Geschäftsführer, die ihre Geschäftsführertätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags ausüben, von der Anwendbarkeit der Norm ausgeschlossen seien. Es sei strikt zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis – hier dem Arbeitsverhältnis – zu unterscheiden.

Da nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB nur Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis übergehen, die Organstellung selbst aber ihren Rechtsgrund gerade nicht im zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis hat, geht sie im Fall des Betriebsübergangs nicht auf den Erwerber mit über. Ein Anspruch des Klägers, beim Erwerber als Organ bestellt zu werden, besteht nicht.

Ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat, hat nun das LAG zu prüfen, an das das BAG den Fall deshalb zurückverwiesen hat.

Praxishinweis

Das BAG stellt noch einmal klar, dass die maßgeblichen Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auch dann nicht anwendbar sind, wenn der Tätigkeit des Geschäftsführers ein Arbeitsverhältnis zugrunde liegt. Sofern also eine Trennung von einem Organmitglied angedacht ist, wäre in dieser Konstellation zunächst das Arbeitsverhältnis zu kündigen, bevor eine Abberufung vom Amt des Geschäftsführers erfolgt.

Darüber hinaus wird noch einmal verdeutlicht, wie wichtig der Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrags im Falle der Bestellung zum Organ der Gesellschaft ist. Regelmäßig erfolgt eine Berufung als Geschäftsführer einer Gesellschaft nach längerer Tätigkeit als Arbeitnehmer. Ein fehlender Geschäftsführerdienstvertrag hat dann vor allem bei Asset- Deal-Transaktionen besondere Auswirkungen: Der zukünftige Erwerber möchte meist eigenes Personal „platzieren“ und ist nicht am Übergang des „Geschäftsführer-Arbeitsverhältnisses“ interessiert.

Sofern also Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein wesentlicher Teil der Belegschaft, des Geschäftsbetriebs und/oder der Betriebsmittel von einem Erwerber übernommen werden und damit der Betrieb nahezu unverändert fortgeführt werden soll, sollte dringend geprüft werden, auf welcher vertraglichen Grundlage der Geschäftsführer tätig wird, um Konstellationen wie die vorliegende zu vermeiden.

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Autorin

Laura Fischler
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.