FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2016 – 7 K 7078/15

04.07.2017 – FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.11.2016 – 7 K 7078/15: Abmahnungen des Inhabers von Urheberrechten an Verletzer führen zu nicht steuerbarem Schadensersatz; kein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der hierfür beauftragten Rechtsanwaltskanzlei

In diesem besonderen Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg ging es um die Unterscheidung zwischen echtem (nichtsteuerbarer) und unechtem (steuerbarer und ggf. steuerpflichtiger) Schadensersatz und der sich anschließenden Frage, ob aus einer ggf. vorliegenden Nichtsteuerbarkeit der Vergleichszahlung ein Ausschluss des Vorsteuerabzuges aus den Rechnungen der mit der Durchführung des Mahnverfahrens beauftragten Anwaltskanzlei besteht.

Besonders deshalb, weil hier erstens die Möglichkeit bestand, im Sinne der BFH-Entscheidung vom 16.1.2003 (V R 92/01) grundlegende Aussagen zur Steuerbarkeit bezüglich der Abmahnfälle nicht nur aus wettbewerbsrechtlicher, sondern auch aus urheberrechtlicher Sicht vorzunehmen bzw. anzugleichen, und zweitens eine klarstellende Aussage hinsichtlich des Vorsteuerabzuges für Eingangsleistungen zu treffen, welche ggf. nichtsteuerbaren Ausgangsumsätzen zuzurechnen sind.

Vereinfacht dargestellt, mahnte ein Unternehmer, der Inhaber von Urheberrechten ist, die Verletzer der Urheberrechte durch eine Rechtsanwaltskanzlei unter Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz gemäß § 97 UrhG schriftlich ab und forderte sie auf, im Wege der Lizenzanalogie eine fiktive Lizenzgebühr als Lizenzentschädigung zu zahlen. Zudem sollte die Lizenzentschädigung an den Inhaber von Urheberrechten für die unberechtigte Nutzung des geschützten Werks gezahlt werden, indem die Verletzer neben einer strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Verpflichtungserklärung dieses Inhalts unterschrieben haben.

Das Finanzgericht hat hierzu entschieden, dass die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16.1.2003 – V R 92/01) zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen von am Markt tätigen Unternehmern (UWG) auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei, weil zum einen der betroffene Unternehmer selbst abmahnt (über die Rechtsanwaltskanzlei; ein Abmahnverein, wie im vorgenannten BFH-Urteil, war nicht tätig) und es sich zum anderen nicht um eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung, sondern um eine solche nach Urheberrecht (UrhG) handele. Somit seien die Lizenzgebühren als nicht steuerbarer (echter) Schadensersatz zu qualifizieren.

Dem ersten Argument kann bereits heute entgegengehalten werden, dass der BFH mit Urteil vom 21.12.2016 (XI R 27/14) entschieden hat, dass Abmahnungen auch durch den betroffenen Unternehmer selbst im Rahmen von wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen (UWG) steuerbar sind, da nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliege und die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität der Mehrwertsteuer gebiete, die Abmahnleistung, die der Abmahnende an den Abgemahnten erbringt, gleich zu besteuern (unabhängig davon, ob der Abmahnende oder ein Abmahnverein handele).

Dem zweiten Argument, dass hier ein unterschiedlicher und somit in den (umsatzsteuerlichen) Rechtsfolgen nicht vergleichbarer Sachverhalt bzw. anspruchsbegründende Normen vorliegen (UWG vs. UrhG), ist ebenfalls kritisch zu würdigen. Ausgehend vom Wortlaut der §§ 9, 12 UWG (BFH-Urteil vom 21.12.2016 – XI R 27/14) und der §§ 97, 97a UrhG ist feststellbar, dass hier inhaltlich keine großen Abweichungen zu sehen sind. In beiden Gesetzen ist von Schadensersatz (§ 9 UWG, § 97 UrhG) und von Abmahnungen (§ 12 UWG, § 97a UrhG) mit fast inhaltsgleichem Wortlaut die Rede. Weshalb hier kein Vergleich und Gleichbehandlung möglich sei, ist aus der Begründung nicht ersichtlich.

Im Revisionsverfahren (XI R 1/17) hierzu wird der BFH sicherlich klärend Stellung beziehen.

Im zweiten Teil des Urteils war das Finanzgericht sichtlich bemüht zu begründen, weshalb ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen für die Durchsetzung eines echten nicht steuerbaren Schadensersatzanspruches nach § 15 UStG nicht möglich sei für ein Unternehmen, das eigentlich zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Nach Ansicht des Finanzgerichts seien solche Kosten keine allgemeinen Kosten des Unternehmers, welche Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen bilden. Somit können diese Kosten nicht zum wirtschaftlichen Bereich des Unternehmers gehören und berechtigen demnach nicht zum Vorsteuerabzug. Auch das Argument, dass die Inanspruchnahme von Rechtsverletzern mittelbar die steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze aus der Vermarktung der Urheberrechte fördern, wies das Finanzgericht mit der Begründung zurück, es sei nach den objektiven Umständen nicht möglich, einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Bereich des Unternehmers zu knüpfen.

Des Weiteren wurde argumentiert, dass aufgrund der getroffenen Vereinbarung mit der Rechtsanwaltskanzlei die Kosten für die Durchsetzung der Ansprüche die erzielten Entgelte nie überschritten hätten und somit nie Teil der Allgemeinkosten des Unternehmers werden können.

Mit diesen Argumenten muss man sich schließlich die Frage stellen, ob alle Vorsteuerbeträge aus Rechtsberatungskosten hinsichtlich der Durchsetzung eines echten (nicht steuerbaren) Schadensersatzes, welche zudem in der Höhe die Schadensersatzsumme nicht überschreiten, nicht abzugsfähig sind.

Auch hier bleibt abzuwarten, ob der BFH dieser Einschätzung in dem anhängigen Revisionsverfahren folgen wird.

Bis dahin sollten alle Fälle, die einen ähnlich gelagerten Sachverhalt betreffen, offengehalten werden.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2017. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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