BFH verwirft Sanierungserlass des BMF – BFH-Beschluss vom 28.11.2016 (GrS 1/15)

04.07.2017 – Mit dem am 8.2.2017 veröffentlichten Beschluss vom 28.11.2016 (GrS 1/15) hatte der Große Senat des BFH entschieden, dass der sog. Sanierungserlass des BMF (BMF-Schreiben vom 27.3.2003, ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22.12.2009) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt.

Beim Sanierungserlass handelt es sich um eine vom BMF erlassene Verwaltungsanweisung, die die ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen zum Gegenstand hat. Sanierungsgewinne entstehen, wenn Schulden zum Zwecke der Sanierung eines Unternehmens ganz oder teilweise erlassen werden. Durch den Sanierungserlass sollen die auf den Sanierungsgewinn entfallende Einkommen- und Körperschaftsteuer erlassen werden. Über den Erlass der Gewerbesteuer entscheiden die Gemeinden unabhängig vom Sanierungserlass, da dieser nicht an sie gerichtet ist. In der Regel orientieren sich die Gemeinden aber an der Finanzverwaltung.

Der BFH stellt seine Argumentation insbesondere darauf ab, dass mit dem Sanierungserlass eine Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns seitens der Verwaltung aus typisierenden Billigkeitsgründen angeordnet wird, auch wenn sich diese im Einzelfall unter Umständen nicht ergeben. Laut Auffassung des BFH sind diese Billigkeitsmaßnahmen hingegen nur für atypische Fälle vorgesehen. Mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. zum 31.12.1997, der eine gesetzliche Grundlage für die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen vorsah, ist die gesetzliche Grundlage für eine Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen ausdrücklich weggefallen. Insofern könnte es durch den Sanierungserlass in Einzelfällen zu einem Verstoß gegen das Legalitätsprinzip kommen, da die Finanzbehörden zu einer gesetzesmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung angehalten sind.

Die Möglichkeit eines Erlasses im Einzelfall aus Gründen, die außerhalb des Sanierungserlasses liegen, wird vom Beschluss des BFH nicht berührt.

Der Gesetzgeber will die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen wieder auf gesetzliche Füße stellen und schlägt vor, einen neuen § 3a EStG und einen neuen § 7b GewStG – Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen – in das Gesetz aufzunehmen. Ein erster abgestimmter Vorschlag der Bundesregierung liegt bereits vor. Dieser orientiert sich eng am Sanierungserlass und nimmt die wesentlichen Elemente in das Gesetz auf. Dazu gehören die bisher entwickelten Kriterien Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, Forderungsverzicht der Gläubiger in Sanierungsabsicht und Sanierungseignung des Forderungsverzichts. Noch keine Einigung wurde bei der Frage erzielt, ob die bestehenden Altverluste komplett verfallen oder mittels einer sehr komplexen Verlustverrechnungsreihenfolge berücksichtigt werden können.

Die Neuregelung soll erstmals für Fälle Anwendung finden, in denen Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 erlassen wurden. Ein Inkrafttreten ist momentan noch nicht absehbar, da die Neuregelung zunächst der EU-Kommission zur Prüfung in beihilferechtlicher Hinsicht vorgelegt wurde.

Das BMF hat inzwischen mit Schreiben vom 27.4.2017 reagiert und aus Gründen des Vertrauensschutzes für Altfälle Folgendes ausgeführt:

  • Bei endgültig vollzogenem Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis einschließlich zum 8.2.2017 ist der Sanierungserlass weiterhin uneingeschränkt anzuwenden.
  • Bei Vorliegen einer verbindlichen Auskunft oder einer verbindlichen Zusage zur Anwendung des Sanierungserlasses bis zum 8.2.2017 werden diese nicht aufgehoben oder zurückgenommen, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zur Aufhebung oder Rücknahme ganz oder im Wesentlichen vollzogen wurde.
  • Liegt kein Forderungsverzicht aller an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8.2.2017 und keine verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage vor, sind Billigkeitsmaßnahmen in Form von abweichenden Steuerfestsetzungen und Stundungen nur noch unter Widerrufsvorbehalt vorzunehmen. Erlassentscheidungen sind zurückzustellen.
  • Die Erteilung verbindlicher Auskünfte in Sanierungsfällen ist grundsätzlich weiterhin möglich.
  • Die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen aus besonderen, außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegenden sachlichen oder persönlichen Gründen des Einzelfalls bleibt unberührt.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2017. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.