Neuer Leitfaden der Bankaufsicht zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte

24.09.2018 – Die deutsche Bankenaufsicht hat am 24. Mai 2018 den neuen Leitfaden zur Risikotragfähigkeit finalisiert. Seit der Veröffentlichung des bisher gültigen Risikotragfähigksleitfadens aus dem Jahr 2011 haben sich erhebliche Veränderungen in der Aufsichtsstruktur und -praxis ergeben. Deshalb war es erforderlich, die nationalen Maßstäbe und Kriterien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung von Risikotragfähigkeitskonzepten zu überarbeiten und an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Anpassung ist über die Veröffentlichung des neuen Leitfadens zur Risikotragfähigkeit erfolgt.

ICAAP – die gemeinsame Basis der Leitfäden deutscher Bankaufsicht und EZB

Der neue Leitfaden der deutschen Aufsicht gilt mit seinen Grundsätzen, Maßstäben und Kriterien hinsichtlich der Risikotragfähigkeit nur für die nationale Bankenaufsicht in Deutschland. Betroffen sind damit nur Kreditinstitute, die unmittelbar der deutschen Bankenaufsicht unterliegen. Auf bedeutende Institute, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt werden, ist der Leitfaden nicht anwendbar. Hintergrund dafür ist, dass die Beurteilungsmaßstäbe der EZB in ihren Grundzügen als Vorbild für den neuen Leitfaden zur Risikotragfähigkeit dienten und insofern mit diesem korrespondieren. Die nationalen Maßstäbe stehen somit im Einklang mit der Einrichtung eines Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) und den damit verbundenen neuen Aufgaben und Komponenten der EZB. Ziel in diesem Zusammenhang war u.a. eine stärkere Harmonisierung der aufsichtsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung des ICAAP (Internes Kapitaladäquanzverfahren). Ergänzend ist festzustellen, dass die EZB inzwischen einen eigenen Leitfaden zur Risikotragfähigkeit zunächst nur für bedeutende Institute entworfen hat, dessen Anwendung ab dem 1. Januar 2019 vorgesehen ist.

Inhaltlich basiert der neue Leitfaden auf dem sogenannten „ICAAP“ (International Capital Adequacy Assessment Process). Das heißt, Institute müssen über solide, wirksame und umfassende Strategien und Verfahren verfügen, mit denen sie die Höhe, die Arten und die Verteilungen des internen Kapitals, das sie zur quantitativen und qualitativen Absicherung ihrer aktuellen und etwaigen künftigen Risiken für angemessen halten, kontinuierlich bewerten und auf einem ausreichend hohen Stand halten können.

Die Umsetzung der obigen Vorlagen in nationales Recht ist über §25a Abs.1 Satz3 Nr.2 KWG rechtlich erfolgt und vor allem in Art. 4.1. des Bafin-Rundschreibens „Mindestanforderungen des Risikomanagements der Institute“ (MaRisk) spezifiziert.

Der neue Leitfaden enthält Grundsätze, Prinzipien und Kriterien, die auf den genannten Vorgaben des KWG und der MaRisk basieren. Konkret sind Prozesse einzurichten, die ein Risikotragfähigkeitskonzept enthalten, das aus einer Risikotragfähigkeitsrechung, einer Kapitalplanung und ergänzenden Stresstests besteht. Dabei ist die Verknüpfung mit der Festlegung der Strategien und den Risikosteuerungs- und Controllingprozessen als typisches Merkmal für ICAAP hervorzuheben. Wesentlicher Bestandteil der einzurichtenden Prozesse ist zudem immer eine Risikoinventur, im Rahmen derer die für das Institut wesentlichen Risiken zu identifizieren sind.

Wesentliche Ziele des neuen Leitfadens zur Risikotragfähigkeit

Der neue Leitfaden zur Risikotragfähigkeit der deutschen Bankaufsicht stellt als ganz wesentliches Ziel von ICAAP die Sicherstellung der langfristigen Fortführung der Unternehmenstätigkeit auf Basis eigener Substanz und Ertragskraft heraus. Daraus folgt, dass etwaige erhoffte Leistungen Dritter, auf die Lasten aus Risiken abgewälzt werden sollen, nicht zu berücksichtigen sind. Zudem entsprechen Ansätze, die ausschließlich auf Gläubigergesichtspunkten basieren, ebenfalls nicht den Zielsetzungen von ICAAP.

Insgesamt haben die zur Sicherstellung zur Risikotragfähigkeit eingesetzten Verfahren sowohl das Ziel der Fortführung des Instituts als auch den Schutz der Gläubiger vor Verlusten aus ökonomischer Sicht angemessen zu berücksichtigen.

Die deutsche Aufsicht stellt in ihrem Leitfaden zur Erfüllung dieser beiden Schutzziele zwei Perspektiven von Risikotragfähigkeitskonzepten vor, die beide zu erfüllen sind:

  • die normative Perspektive
  • die ökonomische Perspektive.

Die wesentlichen Inhalte der beiden Perspektiven von Risikotragfähigkeitskonzepten

Im Einzelnen haben die beiden Perspektiven folgende wesentliche Inhalte:

Normative Perspektive

In der normativen Perspektive sind alle regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen sowie die darauf basierenden weiteren Anforderungen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt sind dabei die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Kennzahlen und deren Berechnungslogik.

Risikoarten sind Adressenausfallrisiken, Marktpreisrisiken, operative Risiken und sämtliche wesentliche Risiken aus der Risikoinventur. Zu berücksichtigen ist ein Basisszenario (Planszenario) und eventuelle adverse Entwicklungen.

Ökonomische Perspektive

Die ökonomische Perspektive dient insbesondere der langfristigen Sicherung der Substanz des Instituts. Sie löst sich von Konventionen des Aufsichts- und Bilanzrechts und orientiert sich stattdessen an Marktwerten als Bewertungsgrundlage. Diese Perspektive gilt als zwingende Ergänzung der normativen Perspektive.

Abschließend ist klarzustellen, dass die Aufsicht zunächst die Anwendung der gegenwärtig weitverbreiteten Going-Concern-Ansätze bis auf weiteres zulässt. Erläuterungen zum Umgang mit den bestehenden Ansätzen sind dem Leitfaden als „Annex“ beigefügt. Von daher hat die Aufsicht auf die Festlegung einer Umsetzungsfrist für den neuen Leitfaden zunächst verzichtet. Auch ohne die Vorgabe von konkreten Umsetzungsfristen empfiehlt es sich aus unserer Sicht aber, dass Kreditinstitute sich mit dem neuen Leitfaden zeitnah beschäftigen und dessen Inhalte eventuell auch zum Nutzen des Instituts gegebenenfalls baldmöglichst umsetzen. Sprechen Sie mit unseren Financial Services Experten über notwendige und sinnvolle Anpassungen Ihres Risikotragfähigkeitskonzepts an die Anforderungen des neuen Leitfadens der Bankenaufsicht.

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