Gewinnbeschränkung bei Wohlfahrtszweckbetrieben

06.08.2018 – Gewinnbeschränkung bei Wohlfahrtszweckbetrieben – geänderte Auffassung der Finanzverwaltung und neue Pflichtangaben in Steuererklärungen ab 2017

Zum Dauerthema „Gewinnbeschränkung bei Wohlfahrtszweckbetrieben“ hat die Finanzverwaltung am 6.12.2017 ein BMF-Schreiben veröffentlicht und ihre bisherige Rechtsauffassung teilweise geändert. Ferner hat sie das Formular für Gemeinnützigkeitserklärungen um neue Pflichtangaben und Dokumentationspflichten erweitert, die bereits für Steuererklärungen ab 2017 gelten.

Die Abgabenordnung verlangt, dass Wohlfahrtszweckbetriebe nach § 66 AO (z. B. ambulante Pflege, Rettungsdienste) „nicht des Erwerbs wegen“ unterhalten werden. Dieses Merkmal war in den vergangenen Jahren Gegenstand von zwei sehr kontrovers diskutierten Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Rettungsdiensten (Beschluss v. 19.9.2007 – I R 30/06 und Urteil v. 27.11.2013 – I R 17/12).

Die Finanzverwaltung schloss sich mit einem ersten BMF-Schreiben vom 26.1.2016 grundsätzlich der Auffassung des BFH in seiner zweiten Rettungsdienstentscheidung an. Demnach besteht eine schädliche Erwerbsorientierung, wenn mit dem Wohlfahrtszweckbetrieb Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen. Zulässig ist jedoch eine Erzielung von Gewinnen in gewissem Umfang, z. B. zum Inflationsausgleich oder zur Finanzierung von betrieblichen Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Die Finanzverwaltung erlaubte mit dem BMF-Schreiben vom 26.1.2016 nur eine Verrechnung zwischen verschiedenen Wohlfahrtszweckbetrieben.

Die Praxis hat die Finanzverwaltung für diese Entscheidung kritisiert und auf eine Vielzahl von Anwendungsproblemen hingewiesen, z. B. fehlende Gewinnverrechnung mit wohlfahrtsähnlichen Zweckbetrieben (z. B. Pflegeheime) oder mit dem ideellen Bereich, aber auch die Notwendigkeit gesonderter Spartenrechnungen und erhöhter Dokumentationspflichten einzelner Wohlfahrtszweckbetriebe.

Mit dem neuen BMF-Schreiben vom 6.12.2017 hat die Finanzverwaltung nun teilweise auf diese Kritik reagiert. Die Finanzverwaltung verfolgt erklärtermaßen das Ziel, Missbräuche zu bekämpfen. Die Steuerbefreiung soll – jedenfalls nach Aussage der zuständigen Referentin im Ministerium – wenigen hochprofitablen Wohlfahrtszweckbetrieben verwehrt werden, jedoch nicht der breiten Mehrheit.

Die Finanzverwaltung führt mit dem neuen BMF-Schreiben eine – widerlegbare – Vermutungsregelung ein. Hiernach wird eine schädliche Erwerbsabsicht vermutet, wenn in jeweils drei aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen die tatsächlichen Gewinne größer sind als der konkrete Finanzierungsbedarf. Hierbei stellt sie jedoch nicht mehr isoliert auf die Gewinne der Wohlfahrtszweckbetriebe ab, sondern auf die Gewinne einer neu eingeführten „wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre“.

Zur wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre zählen

  • Wohlfahrtspflegeeinrichtungen gemäß § 66 AO
  • Zweckbetriebe gemäß § 68 AO, soweit diese auch die Voraussetzungen des § 66 AO erfüllen (z. B. Pflegeheime)
  • Zweckbetriebe gemäß § 67 AO (Krankenhäuser)
  • ideelle Tätigkeiten, für die die Voraussetzungen des § 66 AO vorlägen, wenn sie entgeltlich ausgeführt würden (unentgeltliche Leistungen an hilfsbedürftige Personen)

Eine Widerlegung der Vermutung ist möglich, z. B. bei unbeabsichtigten Gewinnen aufgrund von Marktschwankungen. Darüber hinaus sollen Gewinne aufgrund staatlich regulierter Preise kein Indiz für eine schädliche Erwerbsabsicht sein.

Das BMF-Schreiben vom 6.12.2017 ist grundsätzlich zu begrüßen, da es die von der Praxis geforderten Gewinnverrechnungsmöglichkeiten stark erweitert und einräumt, dass dem Wohlfahrtsunternehmen nicht die Vereinnahmung staatlich regulierter Preise vorgeworfen werden kann. Jedoch sind viele Einzelfragen noch nicht abschließend geregelt bzw. werden durch das BMF-Schreiben neu aufgeworfen. Diese können wir in diesem Rahmen nur beispielhaft darstellen.

Hinzu kommt, dass das Formular zur Steuererklärung 2017 (Anlage Gem) um folgende Pflichtangaben erweitert wurde: 

  • Erklärung, dass der Wohlfahrtszweckbetrieb nicht des Erwerbs wegen unterhalten wird und Aufzeichnungen darüber vorliegen
  • Angabe des Ergebnisses und des konkreten Finanzierungsbedarfs der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre für das aktuelle Kalenderjahr und die zwei vorangegangenen Kalenderjahre (aktuell 2015–2017)

Praktisch führen die Pflichtangaben in der Steuererklärung zur wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre zu einer erhöhten Prüfungs- und Dokumentationspflicht, weil sämtliche Zweckbetriebe, aber auch unentgeltliche Tätigkeiten daraufhin geprüft werden müssen, ob sie auch die Voraussetzungen des Wohlfahrtszweckbetriebs nach § 66 AO erfüllen oder – bei unentgeltlichen Tätigkeiten – erfüllen könnten. Hierzu muss vor allem die 2/3-Grenze des § 66 AO geprüft werden, die erfordert, dass mindestens 2/3 der Leistungen bedürftigen Personen zugutekommen. Die umfassende Berechnung ist – jedenfalls nach dem Wortlaut des BMF-Schreibens und der Formulierung im Steuererklärungsformular – nicht optional für den Fall, dass eine Gewinnverrechnung aus Sicht des Steuerpflichtigen vorteilhaft wäre, sondern für alle Fälle verpflichtend.

Der konkrete Finanzierungsbedarf der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre umfasst auch die Rücklagenbildung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO, sodass auch zweckgebundene Rücklagen und Wiederbeschaffungsrücklagen gebildet werden können.

Die freie Rücklage wird in dem BMF-Schreiben vom 6.12.2017 nicht erwähnt. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Finanzverwaltung daher die Bildung einer freien Rücklage für diesen Bereich ausschließt. Ein Ausschluss würde mit der gesetzlichen Vorgabe in § 62 Abs. 1 Nr. 3 AO kollidieren, der die Rücklagenbildung gestattet. Zudem dient die freie Rücklage gerade dazu, dass die gemeinnützigen Körperschaften ihre Mittel im Sinne eines Inflationsausgleichs sukzessive erhöhen können. Da das BMF-Schreiben jedoch einen Inflationsausgleich ausdrücklich zulässt, liegt es nahe, auch die Bildung einer freien Rücklage zu ermöglichen.

Ungeklärt ist, ob in den konkreten Finanzierungsbedarf auch der Ausgleich von tatsächlichen „Altverlusten“ im Wohlfahrtszweckbetrieb außerhalb des Betrachtungszeitraums von drei Jahren fällt. Hierfür spricht, dass Verluste im Wohlfahrtszweckbetrieb zulässig sind und es keinen Unterschied machen darf, ob diese Verluste mit Mitteln aus aktuellen, früheren oder nachfolgenden Gewinnen getilgt werden. Dies ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

Nicht durchdacht ist ferner die Berücksichtigung von aktivierungsfähigen Anschaffungs-/Herstellungskosten. Der Finanzierungsbedarf besteht in der Regel im laufenden Geschäftsjahr, während die Ergebnisauswirkung erst über die Abschreibungen verteilt auf die Folgejahre erfolgt.

Ferner besteht die Möglichkeit, die Vermutung schädlicher Gewinne durch bilanzpolitische Maßnahmen zu steuern, denn die Ergebnisse der wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre müssen in drei aufeinanderfolgenden Jahren jeweils den konkreten Finanzierungsbedarf übersteigen. Hier könnte überlegt werden, Investitionen und Rücklagenbildungen auf nachvollziehbare Weise vorzuziehen oder aufzuschieben.

Es ist denkbar, dass die Finanzverwaltung für die in der Steuererklärung geforderten Berechnungen zur wohlfahrtspflegerischen Gesamtsphäre keine abschließenden inhaltlichen Vorgaben machen wird, sondern die Ausgestaltung im Detail – ähnlich wie bei der Abfassung der Mittelverwendungsrechnung – der Beratungspraxis überlassen wird. Es wäre aber wünschenswert, dass zumindest strittige Einzelpunkte von der Finanzverwaltung zeitnah geklärt würden.

Entscheidend ist, dass die Vermutung der schädlichen Erwerbsabsicht widerlegt werden kann und die dafür notwendigen Umstände dokumentiert werden, um sie im Veranlagungsverfahren und in der Betriebsprüfung darlegen zu können.

Positiv ist, dass das BMF-Schreiben die Nichtbeanstandungsregelung, wonach eine Quersubventionierung übriger Zweckbetriebe und ideeller Tätigkeiten mit Gewinnen aus Wohlfahrtspflege in Einzelfällen akzeptiert wurde, bis zum Veranlagungszeitraum 2016 verlängert hat.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Mandanten mit Wohlfahrtszweckbetrieben die Auswirkungen des BMF-Schreibens vom 6.12.2017 auf ihre Rechnungslegung, Gewinnsteuerung und Steuererklärungspflicht sorgfältig prüfen sollten. Hierfür stehen wir gerne beratend zur Seite.

Kontakt

Gregor Schubert
Tel: +49 40 288 01-3176

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Dies ist ein Beitrag aus unserem NPO-Newsletter 1-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier.