Das Multilaterale Instrument schließt weitere Lücken im internationalen Steuerrecht

27.10.2017 – Am 7. Juli 2017 unterzeichneten 68 Staaten in Paris einen völkerrechtlichen Vertrag, das sogenannte „Multilaterale Instrument“ (MLI). Das MLI besteht aus 39 Artikeln und basiert auf dem BEPS-Aktionspunkt 15 der OECD. Durch das MLI sollen Empfehlungen des BEPS-Projekts unmittelbar in die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen der teilnehmenden Staaten implementiert werden.

Beim BEPS-Projekt handelt es sich um ein Projekt für ein international abgestimmtes Vorgehen gegen schädlichen Steuerwettbewerb und gegen aggressive Steuergestaltungen international tätiger Unternehmen. BEPS steht dabei für Base Erosion and Profit Shifting – sinngemäß etwa Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung. Unter den Unterzeichnern des MLI waren sämtliche EU- und EWR-Mitgliedsstaaten, außer Estland, und wichtige Handelspartner Deutschlands wie Australien, China und Russland.

Worum geht es?

Das MLI als Blueprint aller Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) erfasst derzeit mehr als 1.100 DBA weltweit. Den Kern bilden definierte, international einheitliche Maßnahmen, welche beim Abschluss künftiger DBA Beachtung finden und bestehende DBA ändern sollen. Zweck des MLI ist es demnach, bilaterale Verhandlungen zwischen zwei Staaten zu beschleunigen, das internationale Steuerrecht zu glätten und erstmals nicht nur die Doppelbesteuerung, sondern auch die doppelte Nichtbesteuerung auf internationaler Ebene zu vermeiden.
Das MLI ist zweigeteilt. Es beinhaltet einerseits verpflichtende Regelungen, die einen BEPS- Mindeststandard abbilden, und andererseits optionale und alternative Bestimmungen, aus denen die teilnehmenden Staaten durch Anwendung des sogenannten „Reservation and Notification Statements“ auswählen und die sie freiwillig implementieren können.

Deutscher Anwendungsbereich

Deutschland hat 35 seiner aktuell betroffenen 96 DBA ausgewählt, die durch das MLI angepasst werden sollen. Korrespondierend haben sich bisher 33 Staaten, darunter Österreich, China, Zypern, Malta, die Niederlande, Luxemburg und Spanien, für eine Anwendung des MLI auf ihre DBA mit Deutschland entschieden.

Die einzelnen Staaten können bei bestimmten Regelungen des MLI dazu optieren, diese Regelungen nicht anzuwenden. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland in bestimmtem Umfang Gebrauch gemacht.

Im Rahmen des „Reservation and Notification Statements“ hat sich Deutschland vollständig gegen die Anwendung der Vorschriften zur Verhinderung von hybriden Gestaltungen entschieden.

Die Regelungen bezüglich der künstlichen Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Komissionärsmodelle und ähnliche Strategien sowie die Aufteilung von Verträgen soll ebenfalls nicht durch das MLI in deutsche DBA umgesetzt werden. Anstelle der Anwendung eines pauschalen Ausnahmekatalogs soll künftig eine Einzelfallprüfung der Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der betroffenen Unternehmen herangezogen werden, um beurteilen zu können, ob künstlich Maßnahmen ergriffen wurden, welche die Vermeidung der Begründung einer Betriebsstätte zum Ziel haben. Damit ist voraussichtlich eine höhere Dokumentations- und Nachweispflicht für den Steuerpflichtigen zu erwarten.

Der „Principle-Purpose-Test“ (PPT) als Anti-Missbrauchsklausel, der die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen für bestimmte Einkünfte bzw. Vermögenswerte verhindern soll, wurde von Deutschland aus den vorhandenen alternativen Bestimmungen zur Implementierung ausgewählt.

Zur Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen soll in alle vom MLI erfassten deutschen DBAeine korrespondierendeGegenberichtigung von Verrechnungspreiskorrekturen durch den anderen Staat gemäß Art. 9 Abs. 2 OECD-MA aufgenommen werden. Ferner hat sich Deutschland neben 24 weiteren Staaten zur Umsetzung eines obligatorischen Schiedsverfahrens verpflichtet. Die Frist, nach der ein Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gestellt werden kann, wird von zwei auf drei Jahre erweitert.

Ausblick

Obschon die Erwartungen zunächst sehr hoch waren, wird auch das MLI keine vollständige Harmonisierung der weltweiten DBA-Praxis bewirken. Angesichts der zahlreichen Optionen und Vorbehalte, unter denen Staaten wählen können, sowie der Tatsache, dass das MLI selbst stets eine Option bleibt und nicht zwingend angewandt werden muss, ist es fraglich, ob hiermit tatsächlich eine einfache, schnelle und einheitliche Umsetzung der BEPS-Ergebnisse erreicht werden kann. So wird ein MLI nur dann Wirkung entfalten, wenn die an einem DBA beteiligten Staaten Übereinstimmung in Bezug auf die optional auszuwählenden Maßnahmen und Bestimmungen erzielen und das entsprechende MLI in nationales Recht umsetzen. Da der Text bestehender DBA nicht geändert wird und das MLI vielmehr einen zusätzlichen Bestandteil bestehender DBA bilden wird, ist die Anwendung und Auslegung eines DBA für den Steuerpflichtigen künftig ungleich komplexer.
Unklarheit verbleibt in Bezug auf eine rechtssichere Umsetzung des MLI in nationales Recht. In Deutschland ist dafür ein Umsetzungsgesetz für jedes betroffene DBA geplant. Die Ratifikation des MLI in Deutschland ist für die kommende Legislaturperiode vorgesehen.

Erste Ergänzungen bestehender deutscher DBA könnte es somit ab 2019 geben.

1 Sofern nicht schon vorhanden

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2017. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.