Aktuelle Rechtsprechung zur Aufwandspauschale

01.06.2018 – Aktuelle Rechtsprechung zur Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c SGB V

Die Rechtsprechung des BSG rund um die Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c SGB V ist in der Instanzrechtsprechung nicht nur unterschiedlich rezipiert und kontrovers erörtert worden, sie ist zwischenzeitlich auch Gegenstand dreier anhängiger Verfassungsbeschwerden (1 BvR 2207/17, 1 BvR 1477/17, 1 BvR 318/17). Zwischenzeitlich hat das BSG die Anwendbarkeit seiner Rechtsprechung auch in zeitlicher Hinsicht verfeinert. Die Kontroverse setzt sich in der Instanzrechtsprechung fort.

Keine Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale bei erfolgloser Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit?

Hinsichtlich der Verpflichtung der Krankenkassen zur Zahlung der Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c SGB V differenziert das BSG seit der Entscheidung vom 1.7.2014 – B 1 KR 29/13 R bekanntlich zwischen Auffälligkeitsprüfungen gemäß § 275 Abs. 1c SGB V und Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale soll bei Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit generell nicht bestehen.

Diese Rechtsprechung des BSG stößt in der erstinstanzlichen Sozialgerichtsrechtsprechung vornehmlich auf Kritik (vgl. z. B. SG Würzburg, Urteil vom 24.3.2016 – S 11 KR 628/15; SG Darmstadt, Urteil vom 7.12.2015 – S 8 KR 434/14; SG Rostock, Urteil vom 2.3.2016 – S 15 KR 406/13; SG Mainz, Urteil vom 4.5.2015 – S 3 KR 428/14; SG Osnabrück, Urteile vom 27.1.2016 – S 34 KR 98/15 und vom 10.12.2015 – S 34 KR 238/15; SG Dortmund, Urteile vom 6.7.2015 – S 40 KR 514/13 und vom 22.6.2015 – S 40 KR 867/13, SG Detmold, Urteil vom 4.2.2016 – S 24 KR 380/15; SG Speyer, Urteil vom 28.7.2015 – S 19 KR 588/14).

In der obergerichtlichen Sozialgerichtsrechtsprechung findet die Linie des BSG hingegen auch Unterstützer. So hat das LSG Rheinland- Pfalz die Auffassung des BSG zur Existenz eines Prüfungsregimes sachlich-rechnerischer Richtigkeit von Krankenhausabrechnungen bereits im Jahr 2016 nachvollzogen (vgl. Urteile vom 21.4.2016 – L 5 KR 107/15 und 19.5.2016 – L 5 KR 8/16) und jüngst erneut bestätigt (Urteil vom 15.2.2018 – L 5 KR 251/17). Auch das LSG Nordrhein-Westfalen folgt der Rechtsprechung des BSG seit 2016 (vgl. Urteile vom 6.9.2016 – L 1 KR 187/16 und L 1 KR 459/16).

Keine Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale bei erfolgloser Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit auch vor dem 1.1.2016?

Im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) mit Wirkung zum 1.1.2016 hat der Gesetzgeber durch Ergänzung von § 275 Abs. 1c SGB V um einen Satz 4 geregelt, dass als eine potenziell zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtende Prüfung „jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen [ist], mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert.“

Jedenfalls ab Ergänzung von § 275 Abs. 1c SGB V um einen Satz 4 fällt eine Aufwandspauschale auch dann an, wenn man eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit für zulässig hält (vgl. SG Hannover, Urteil vom 17.11.2017 – S 86 KR 305/17). Auf die Frage, ob die Aufwandspauschale entsprechend § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V auch in vor dem 1.1.2016 eingeleitete Prüfverfahren ohne Minderung des Abrechnungsbetrages zu zahlen ist, enthält das KHSG keine explizite Regelung. Das BSG hat dies zwischenzeitlich im Sinne der Leitentscheidung aus dem Jahr 2014 dahingehend entschieden, dass der gesetzlichen Klarstellung keine Rückwirkung zukomme und für vor dem Inkrafttreten des KHSG eingeleitete Prüfverfahren das – die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale nicht beinhaltende – Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeit anwendbar bleibe (BSG, Urteile vom 23.5.2017 – B 1 KR 28/16 R und B 1 KR 24/16 R).

Auch diese Auffassung des BSG ist jedoch zwischenzeitlich kritisiert und die Gefolgschaft verweigert worden. So hat das SG Speyer in einer jüngeren Entscheidung entschieden (Urteil vom 8.9.2017 – S 16 KR 683/15), dass „eine klarstellende Regelung […] vor ihrem Inkrafttreten ergangene, ihr widersprechende Entscheidungen zwar nicht rückwirkend rechtswidrig [mache], sie [gelte] ohne entsprechende gesetzliche Anordnung auch nicht rückwirkend (in diesem Sinne [sei] sie auch eine Neuregelung). Es [bedürfe] allerdings schwerwiegender Argumente, um die Klarstellung nicht auch für noch nicht abgeschlossene Fälle anzuwenden, für die die klarstellende Regelung an sich noch keine Geltung beansprucht.“

Fortsetzung des Grundsatzstreites

Die Grundsatzdiskussion um das umstrittene Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeit im Bereich der stationären Krankenhausabrechnung setzt sich um eine weitere Facette fort. Möglicherweise bringt auch insoweit erst eine (noch zu erhebende) Verfassungsbeschwerde letzte Klärung. Ob über die bislang bereits anhängigen Verfassungsbeschwerden noch in diesem Jahr entschieden wird, ist ungewiss.

Bis auf weiteres fehlt den mit Aufrechnungen von Kostenträgern konfrontierten Krankenhausträgern praktische Sicherheit. Wer sich – trotz möglicherweise geringer Gegenstandswerte – alle Optionen offenhalten will, muss den Rechtsweg beschreiten.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 1-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen  Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.